Man steigt morgens ins Auto, dreht den Schlüssel und es passiert – nichts. Schlagartig fällt der zurechtgelegte Plan für den Tag wie ein Kartenhaus in sich zusammen, der Stresslevel schnellt in die Höhe. Der erste Termin ist auf keinen Fall noch zu schaffen, und wie holt man später eigentlich den Nachwuchs vom Kindergarten ab? Wohl dem, der jetzt Mitglied in einem der zahlreichen Automobilclubs ist und Hilfe rufen kann. Damit sind die Probleme zwar noch nicht gelöst, aber es beruhigt schon, zu wissen, dass Unterstützung unterwegs ist. Doch wie funktioniert so eine Pannenhilfe eigentlich und was geschieht im Hintergrund, damit innerhalb kürzester Zeit ein Retter in der Not erscheint? Um diese Frage zu klären, begleiten wir einen Tag lang den ADAC Straßenwachtfahrer Konstantin Schneider.
Schichtbeginn
Treffpunkt ist die Pannenhilfezentrale der Region Mitte am Standort in Groß-Gerau, ungefähr auf halber Strecke zwischen Darmstadt und Rüsselsheim, südlich von Frankfurt gelegen. Deutschlandweit gibt es insgesamt fünf entsprechende Standorte für die Organisation der Pannenhilfe. Von Groß-Gerau aus erfolgt die Steuerung der ADAC-Straßenwacht und der ADAC-Mobilitätspartner in den Bundesländern Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Saarland und den badischen Teil von Baden-Württemberg. Allein hier sind 42 Disponenten im Einsatz, um die Flut an Anfragen zu bearbeiten und die Straßenwachtfahrer zu orchestrieren.
Auf dem Hof steht mindestens ein Dutzend der typischen ADAC-gelben VW Tiguan und Ford S-Max. Konstantin kommt um kurz vor halb Sieben aber schon mit seinem ADAC-Fahrzeug auf den Hof gefahren. "Wir haben unser Einsatzfahrzeug in der Regel in einer vom ADAC angemieteten Garage in der Nähe des Wohnorts", klärt der 35-jährige Kfz-Meister auf. Zur Sicherheit gibt es auch für den ungewöhnlichen Begleiter mit der Kamera einen Satz Sicherheitskleidung. Dann teilt der Disponent in der Zentrale auch schon den ersten Einsatz zu. "Fahrzeug startet nach Stopp an der Tankstelle nicht mehr, Verdacht auf Batteriedefekt".
Eine Problembeschreibung, die uns im Tagesverlauf immer wieder begleiten wird und laut Statistik auch der häufigste Grund für einen Einsatz ist. Im Jahr 2023 gingen bei über 3,5 Millionen Pannen 44 Prozent der Einsätze auf diese Fehlerquelle zurück. Nach über vier Jahren beim ADAC weiß Konstantin aber auch, dass die Ferndiagnose "leere Batterie" bei einem nicht startenden Fahrzeug oft nur ein Symptom, aber nicht die Ursache beschreibt. So auch in diesem Fall. Beim ersten Pannenfahrzeug des Tages, einem fast 40 Jahre alten Jeep Cherokee, entpuppt sich ein stark korrodiertes Kabel zum Anlasser als Fehlerquelle. Nachdem der Oldtimer wieder läuft, wird noch schnell der Pannenbericht ausgedruckt, dann geht es direkt weiter zum nächsten Auftrag.
Der ADAC kommt - immer
Diesmal ist der Patient nicht nur jünger, sondern auch erheblich kleiner. Ein Fiat Cinquecento steht in Groß-Umstadt im Odenwald und verweigert nach einer Nacht im Freien den Dienst. "Ein typischer Fall für die Jahreszeit Herbst", beschreibt Konstantin die Ursache. "Batterien, die den Sommer gerade so überstanden haben, geben die plötzlich deutlich niedrigen Temperaturen den Rest." Für diesen Fall haben die ADAC-Fahrzeuge auch oft den passenden Ersatz an Bord. Neben diversen Leuchtmitteln und Batterien für Schlüssel und Fernbedienung gehören in allen Fahrzeugen auch Starterbatterien zur Grundausstattung.
Diese können direkt an Ort und Stelle gekauft werden, den Einbau erledigt natürlich der Straßenwachtfahrer. Inklusive Werkzeug, Mess- und Diagnosegeräten sowie der elektronischen Zusatzausstattung kommt das Fahrzeug so auf eine Zuladung von über 600 Kilogramm. Um die Sicherheit der Straßenwachtfahrer zu gewährleisten, gibt es für die ADAC-Fahrzeuge daher gesonderte Crash-Tests. Für den Kleinwagen aus den Neunzigern fehlt aber der passende Akkumulator. Also heißt es, Starthilfe geben und dann geht es auf Wunsch des Fahrzeuginhabers zur Sicherheit als Begleitfahrzeug bis zur Werkstatt im Nachbarort hinterher.
Da nicht alle Pannensituationen so harmlos ausfallen, erfolgt vor der Zuteilung an die Straßenwachtfahrer eine Evaluierung durch die sogenannten Calltakern, die die Meldungen entgegennehmen. In einer ersten Bestandsaufnahme zum Pannenfall versuchen diese unter anderem zu klären, um welche Art von Panne es sich handelt und wo sich das Fahrzeug befindet. Anhand dieser Informationen im System wählt im Anschluss der zuständige, regionale Disponent einen passenden Pannenhelfer aus. Die Vergabe der Aufträge erfolgt Weg-Zeit-optimiert, um schnellstmöglich zu helfen. Besondere Notfallsituationen wie zum Beispiel eingeschlossene Kinder oder Tiere im Auto sowie Pannen auf der Autobahn oder Bundesstraßen werden dem höheren Gefährdungspotenzial entsprechend priorisiert.
Unser dritter Einsatz ist dann zwar kein akuter Not-, dafür aber gleich in doppelter Hinsicht ein Sonderfall. Denn beim liegengebliebenen Fahrzeug handelt es sich nicht nur um einen erst wenige Tausend Kilometer alten Hyundai, die Anfrage kam auch von einer Person, die kein ADAC-Mitglied ist. "Wir sind da, um in Pannensituationen zu helfen", beschreibt Konstantin die Grundphilosophie des ADAC. "Daher fahren wir Fälle natürlich auch dann an, wenn wir von Personen gerufen werden, die nicht im ADAC sind. Können wir schnell und einfach helfen, gehen damit auch keine Kosten einher. Wir freuen uns aber natürlich, wenn man sich dann für eine Mitgliedschaft entscheidet".
Problemfall Fahrrad
Es gebe natürlich auch Situationen, in denen Hilfsbereitschaft und Geduld eines Pannenhelfers auf die Probe gestellt werden. Neben der klassischen Pannenhilfe für Auto, Motorrad, Wohnmobil und Co. gehört inzwischen auch die Hilfe bei Problemen mit dem Fahrrad oder e-Bike zum Service für ADAC-Mitglieder. Konstantin erinnert sich an einen Fall, der für ihn in die Kategorie "ganz schön dreist" fällt. Wenn jemand zu Hause feststelle, dass er einen Platten hat und sich nicht zu helfen weiß, helfe man gern. Ich wurde aber auch schon zu einer Fahrradpanne gerufen. "Als ich ankam, standen da acht Studenten, die eine Radtour machen wollten. Ich sollte dann alle Fahrräder prüfen und für die Tour bereit machen." Das sei dann eine Situation, für die die ADAC-Pannenhilfe nicht gedacht sei.
Mit circa 1700 Straßenwachtfahrern und 675 Mobilitätspartnern ist der ADAC zwar gut für die unterschiedlichsten Herausforderungen gerüstet, bei über 22 Millionen Mitgliedern und mehr als 10.000 Meldungen pro Tag sollte die Mitgliedschaft aber nicht missbraucht werden. Grundsätzlich gibt es aber keine Einschränkungen, wie Konstantin erklärt: "Die Mitgliedschaft ist personengebunden. Es ist also egal, mit welchem Fahrzeug ein Mitglied eine Panne hat und auch mehrere Einsätze pro Jahr sind durch die Mitgliedschaft abgedeckt."
Hausbesuch
Wohin man den ADAC im Pannenfall ruft, ist dabei ebenfalls nicht entscheidend und viele Fahrten fallen sprichwörtlich unter die Kategorie "Hausbesuch". Neben entladenen Batterien und technischen Defekten sind es hier auch immer wieder missglückte Reparaturversuche, die zum Einsatz der Pannenhilfe führen. Eine brennende Warnleuchte im Cockpit hat den Besitzer eines Opel Adam zur Fehlersuche motiviert. Das Prüfen diverser Sicherungen bei eingeschalteter Zündung verursachte dann aber eine Fehlermeldung des Steuergeräts. In der Folge ließ sich der kleine Opel nicht mehr starten. Konstantin findet dank seines Auslesegeräts nicht nur den verursachten Fehler, sondern kann diesen auch löschen. Sein Rat fällt aber eindeutig aus: "Die immer wieder brennende Warnleuchte hat eine Ursache und da hilft es nicht, nur die Fehlermeldung zu löschen. Das Auto muss auf jeden Fall in der Werkstatt geprüft werden."
Auch der letzte Fall des Tages steht in der heimischen Garage. Wieder lässt sich das Fahrzeug nach längerer Standzeit nicht starten. Nachdem der "Verdachtsfall Batterie" ausgeschlossen werden kann, ist die Ursache am 20 Jahre alten Mazda MX-5 schnell identifiziert – der Anlasser ist defekt. Damit die Besitzerin direkt in die Werkstatt fahren kann, wird es kurz vor Dienstschluss noch mal anstrengend und der lädierte Mazda klassisch per Muskelkraft angeschoben. Als Dank gibt es eine Mitgliedschaft, denn auch in diesem Fall wurde der Pannenhelfer gerufen, ohne im Club zu sein.
Traumjob Straßenwachtfahrer
Zurück am ADAC-Stützpunkt ist Konstantin nach acht Stunden Arbeit bleibt noch die Antwort auf die Frage, was ihm an seinem Job gefällt. Sie ist verblüffend einfach und beneidenswert zugleich: "Ich kann mir keine schönere Arbeit vorstellen. Jeder Tag ist anders und ich weiß nie, was mich erwartet. Ich bin ständig im Austausch mit Menschen, habe immer wieder neue Herausforderungen und jedes Mal, wenn ich zu einem Auftrag komme, kann ich etwas Gutes tun." Viel erfüllender kann Arbeit wohl kaum sein.