Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik "Vorsicht, Kunde!", der erstmals am 12.12.2024 in c't 28/2024 erschienen ist.
Was die Energieversorgung ihres Häuschens im Elbtal nördlich der sächsischen Landeshauptstadt Dresden angeht, gehen Silvio B. und seine Frau Nancy mit der Zeit. Im vergangenen Jahr installierten sie eine Photovoltaikanlage mit circa 11 Kilowatt (peak) Ausgangsleistung. Passend dazu erwarben sie ein E-Auto nebst Wallbox. Im Januar wurde ihnen ein digitaler Zweirichtungszähler eingebaut, seither erhalten sie für den eingespeisten Strom Geld. Eine Wärmepumpe betreiben die B.s bereits seit 15 Jahren.
Nun wollten sie gern einen dynamischen Stromtarif nutzen. Bei dieser modernen Art der Energielieferung setzt sich der Preis für die Kilowattstunde (kWh) aus einem festen und einem veränderlichen Teil zusammen. Letzterer wird stundengenau in Abhängigkeit des aktuellen Strompreises an der Strombörse ermittelt und kann in bestimmten Zeiten, zum Beispiel wenn die Sonne scheint, der Wind kräftig bläst und gleichzeitig ein geringer Bedarf herrscht, sogar negativ ausfallen.
Wer während solcher Phasen sein E-Auto auflädt, kann also kräftig sparen. Bei einem stichprobenartig herangezogenen dynamischen Tarif eines großen Versorgers lag der Basispreis bei etwa 16 Cent pro kWh und der Ersatzpreis bei unter 15 Cent. Letztere wird herangezogen, wenn einmal keine Daten da sind, etwa wenn die Internetverbindung unterbrochen ist.
Voraussetzung für einen solchen Tarif ist ein intelligentes Messsystem (Smart Meter), welches den aktuellen Verbrauch viertelstundengenau ermittelt und über ein Gateway an den Energieversorger übermittelt. Die B.s entschieden sich Anfang des Jahres für den Pionier in Sachen dynamische Stromtarife Tibber (siehe auch c’t 21/2024, S. 62). Ab Beginn kommenden Jahres müssen aber auch alle anderen Energieversorger einen solchen dynamischen Tarif anbieten.
Smart Meter beantragt
Am 12. März beantragten die B.s beim Messstellenbetreiber Digimeteo den Einbau eines Smart-Meter-Gateways in ihren digitalen Stromzähler. Darauf kündigte sich für den 4. März ein beauftragtes Unternehmen an. Zum Termin erschien ein Mitarbeiter, der das Gateway einbauen wollte. Doch er konnte den Umbau nicht durchführen, denn es stellte sich heraus, dass der neue Digitalzähler nicht registriert und deshalb in der zugehörigen Datenbank des bisherigen Messstellenbetreibers nicht auffindbar war.
Die telefonisch kontaktierte Mitarbeiterin in der Zentrale von Digimeteo, einem Tochterunternehmen des Netzbetreibers SachsenEnergie, fragte, warum sie überhaupt ein Smart Meter wollten, sie hätten doch gar keinen Anspruch darauf. Außerdem stellte sie Bearbeitungszeiten von bis zu sechs Monaten für den fehlenden Datenbankeintrag in Aussicht.
Zugleich lehnte der Stromanbieter Tibber einen Wechsel in seinen Tarif ab, weil der Zähler der B.s nicht ordnungsgemäß registriert sei. In den folgenden Wochen fragte Silvio B. immer wieder beim Messstellenbetreiber Digimeto, beim Netzbetreiber SachsenNetze und den Stadtwerken Elbtal als Stromanbieter nach. Auf seine letzte Nachfrage bei den Stadtwerken erhielt der Kunde am 24.07.2024 per E-Mail eine Mitteilung: Man habe die Angelegenheit "an die Fachabteilung weitergegeben und diese wird den Zählerwechsel prüfen und im System hinterlegen". Man bitte noch um "etwas" Geduld.
Doch auch in den folgenden Wochen und Monaten passierte nichts. Am 1. Oktober wandte sich Nancy B. deshalb mit einer ausdrücklich als Verbraucherbeschwerde nach § 111a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gekennzeichneten E-Mail an die Stadtwerke Elbetal. Mit einer solchen Beschwerde hatten sie sich bereits Anfang März an den Messstellenbetreiber Digimeteo gewandt.
Keine Reaktion
Nach diesem Gesetz sind Energieunternehmen, ganz gleich, ob Lieferant, Netz- oder Messstellenbetreiber verpflichtet, solche Beschwerden innerhalb eines Monats zu beantworten. Bei Schwierigkeiten ist man als Verbraucher deshalb gut beraten, seine Schreiben ausdrücklich unter Nennung des Paragrafen als Beschwerde zu kennzeichnen. Das ist oft auch Voraussetzung für ein Verfahren vor den Schlichtungsstellen wie der Bundesnetzagentur, denn dabei muss man stets zuallererst darlegen, sich bereits erfolglos direkt an das Unternehmen gewandt zu haben. Andernfalls werden Beschwerden gar nicht erst zur Bearbeitung angenommen.
Doch im Fall der B.s reagierte weder der Messstellenbetreiber Digimeteo noch der Versorger Stadtwerke Elbetal, beide verstießen damit gegen das EnWG. Am 21. Oktober wandte sich Silvio B. deshalb an die c’t-Redaktion und schilderte uns seine Verzweiflung über den kafkaesken Zustand.
Nachdem er uns auch seine Korrespondenz mit den beteiligten Versorgungsunternehmen vorgelegt hatte, wandten wir uns am 30. Oktober an die Medienbetreuung von SachsenEnergie, der Dachmarke der beteiligten öffentlichen Unternehmen. Wir wollten wissen, warum die Kunden nicht die notwendige Antwort innerhalb der gesetzlichen Frist erhalten hätten. Außerdem fragten wir nach, wer denn nun für die korrekte Registrierung des Zählers verantwortlich sei und was die Kunden denn tun sollen, um die korrekte Registrierung zu bewirken.
Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.
Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.
Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.
Eine Pressesprecherin von SachsenEnergie antwortet uns am 5. November im Auftrag der Digimeteo: "Die Kunden haben alles richtig gemacht. Es ist korrekt, dass Digimeteo innerhalb eines Monats auf ihre Beschwerde hätte antworten müssen." Es folgten Ausführungen zum gestiegenen Kundeninteresse und mangelnden Ressourcen, um die vielen Anfragen zeitnah bearbeiten zu können. Man arbeite daran.
Weiter schrieb die Sprecherin: "In dem konkret von Ihnen benannten Fall ist uns ein Fehler passiert, für den wir am 1.11.2024 bei den Kunden um Entschuldigung gebeten haben. Bereits am 04.11.2024 konnten wir ihnen einen Einbautermin telefonisch zusichern. Wir werden den Vorgang intern aufarbeiten."
Silvio B. hatte diese Information uns gegenüber bereits bestätigt. Am 16. November teilte er uns freudig mit, nunmehr bereits seit ein paar Tagen stolzer Besitzer eines Smart Meter zu sein. Als Glanzleistung von den Sachsen-Energetikern und Elbetal-Werkern kann man das Ganze nicht bezeichnen. In einem Unternehmen, in dem alltägliche Fehler erst durch Presseanfragen korrigiert werden, läuft offensichtlich etwas schief. Die in der Antwort enthaltene Selbsterkenntnis ist immerhin der erste Schritt zur Besserung.