Wirtschaftserwartungen so negativ wie seit Juli 2023 nicht

Ein "erratischer Umbruch in der US-Handelspolitik" sorgt für Wirbel in der deutschen Wirtschaft. Experten schätzen die Aussichten so pessimistisch ein, wie schon lange nicht mehr. Trump wirkt sich ähnlich gravierend aus wie Putins Einmarsch in die Ukraine.

Der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Zollkrieg lässt Börsenprofis deutlich pessimistischer auf die deutsche Wirtschaft blicken. Das Barometer für die Konjunkturaussichten in den kommenden sechs Monaten brach im April um 65,6 Punkte auf minus 14,0 Zähler ein. Das teilte das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu seiner Umfrage unter 168 Investoren und Analysten mit. "Dies ist der stärkste Rückgang der Erwartungen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in 2022", hieß es. Das Barometer notierte zuletzt im Juli 2023 tiefer. Ökonomen rechneten nur mit einem Rückgang auf plus 9,5 Punkte.

Im März hatte es wegen der Aussicht auf das von Union und SPD vereinbarte Finanzpaket den stärksten Anstieg seit mehr als zwei Jahren gegeben. Das Barometer für die aktuelle Lage stieg dagegen im April um 6,4 auf minus 81,2 Zähler.

"Der erratische Umbruch in der US-Handelspolitik lässt die Erwartungen für Deutschland einbrechen", kommentierte ZEW-Chef Achim Wambach die Entwicklung. "Nicht nur die potenziellen Folgen der angekündigten Reziprozitätszölle für den Welthandel, sondern auch die Dynamik ihrer Änderungen haben zu einem massiven Anstieg globaler Unsicherheit geführt."

Trump hatte den 2. April zum "Tag der Befreiung" erklärt und gegen zahlreiche Handelspartner pauschale Zölle von 20 Prozent verhängt. Diese wurden kurz danach für 90 Tage ausgesetzt. Die Zölle von 25 Prozent auf Stahl, Aluminium und Autos sowie die 10-prozentigen Basiszölle auf sämtliche andere Produkte blieben für die EU in Kraft.

Die Vereinigten Staaten sind das wichtigste Abnehmerland von Waren "Made in Germany". Die Abhängigkeit der deutschen Exporteure von dem durch hohe Zölle bedrohten US-Geschäft ist so groß wie seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr: Die Ausfuhren in die weltgrößte Volkswirtschaft summierten sich im vergangenen Jahr auf gut 161,3 Milliarden Euro. Das war gut ein Zehntel - genau 10,4 Prozent - aller deutschen Exporte und damit der höchste Anteil seit 2002.

"Wenig ermutigende Signale von Union und SPD"

"Im März hatte die Fiskalbazooka die Konjunkturerwartungen nach oben geschossen. Mit dem US-Zollhammer folgt nun der tiefe Rückfall. Von Aufbruchsstimmung und einer Wirtschaftswende ist weit und breit nichts zu sehen. Das außenwirtschaftliche Umfeld bleibt schwierig und die inländische Konjunkturdynamik schlapp", sagte Bastian Hepperle, Ökonom bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. "Von der Politik kommen wenig ermutigende Signale. Union und SPD haben sich zwar zu einem Koalitionsvertrag zusammengerauft. Bevor die eigentliche Arbeit losgeht, gibt es aber schon Streit. Für Deutschlands Konjunktur zeichnet sich eine anhaltend schwache Entwicklung ab."

Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank sieht eine schwierige Gesamtlage: "So volatil die Finanzmärkte derzeit sind, so volatil sind die Konjunkturindikatoren. Die ZEW-Konjunkturerwartungen fallen im April wie ein Stein nach unten. In Anbetracht des Washingtoner Hin und Her bei den Zöllen muss dies auch nicht weiter verwundern", urteilt Gitzel. "Das globale Unternehmerlager ist jedenfalls stark verunsichert und wird vorerst Investitionen zurückstellen. Die deutsche Industrie mit ihrer starken Investitionsgüterindustrie ist davon besonders stark betroffen."

Von einem "Stimmungseinbruch" spricht Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen. "Der ZEW-Saldo der Konjunkturerwartungen ist im April kräftig gesunken und hat die Konsensschätzung noch deutlich unterschritten. Er ist erstmals seit Oktober 2023 wieder in negatives Terrain vorgedrungen. Erst im Vormonat konnte mit 51,6 Punkten der höchste Stand seit über drei Jahren erreicht werden. Nun aber führt das von US-Präsident Trump angerichtete Zoll-Chaos zu globalen Konjunktursorgen", sagt der Helaba-Ökonom. "Die Risikoaversion an den Finanzmärkten stieg vorübergehend deutlich an. Zwar hat sich die Situation inzwischen etwas beruhigt, die Unsicherheit ist aber weiterhin groß und dies spiegelt sich in den Stimmungsindikatoren wider."