"China überflutet Deutschland mit Waren"

Deutschland möchte sich unabhängiger von Importen aus China machen. Doch das Gegenteil passiert. "China exportiert zunehmend seine Überkapazitäten nach Deutschland", kritisieren Wirtschaftsforscher.

Mit Blick auf das gesamte Handelsvolumen ist China nicht mehr Deutschlands wichtigster Handelspartner, sondern liegt hinter den USA auf dem zweiten Platz. Dahinter steckt eine Entwicklung, die das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) als besorgniserregend bezeichnet. Denn während die Exporte in die Volksrepublik stark zurückgehen, sinken die Importe kaum.

In Zahlen ausgedrückt: Dem Statistischen Bundesamt zufolge fielen die Ausfuhren im vergangenen Jahr um 7,6 Prozent auf ein Volumen von 90 Milliarden Euro. Die Einfuhren erreichten rund 156 Milliarden Euro, ein Minus von nur 0,3 Prozent. Das Defizit stieg damit auf mehr als 66 Milliarden Euro.

Mit Blick auf das gesamte Handelsvolumen überholten die USA China als wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Ein- und Ausfuhren zusammengenommen betrug das Handelsvolumen mit China rund 246 Milliarden Euro und knapp 253 Milliarden Euro mit den USA.

"Trotz geopolitischer Sorgen bleibt China einer von Deutschlands wichtigsten Handelspartnern", so das IW. "China überflutet Deutschland immer mehr mit seinen Waren." Vom De-Risking gebe es keine Spur. Die Bundesregierung hatte im Umgang mit China zum Ziel gesetzt, dass Deutschland seine kritischen Importabhängigkeiten abbaut. Dies sei aber angesichts der nun veröffentlichten Außenhandelszahlen in der Gesamtschau noch nicht gelungen, bilanzieren die Ökonomen.

"Ein echter Warnschuss"

Das große Ungleichgewicht sei besorgniserregend, "und auch auf Chinas Subventionen und eine unterbewertete Währung zurückzuführen", so das IW. Da die gesamten deutschen Importe krisenbedingt um 3 Prozent zurückgingen, habe China im Vergleich zu anderen Handelspartnern sogar weiter an Bedeutung gewonnen. "Statt zu sinken, stieg Chinas Anteil an den gesamten deutschen Importen um 0,3 Prozentpunkte auf 11,9 Prozent." In vielen anderen Industrieländern, etwa in den USA oder Frankreich, sei der Importanteil aus der Volksrepublik dagegen gesunken.

Besonders auffällig sei, dass die Importmenge - gemessen in Tonnen - um mehr als neun Prozent gestiegen sei. "Dass die Einfuhrwerte stagnieren, die Menge aber steigt, deutet auf eine bewusste Strategie hin: China exportiert zunehmend seine Überkapazitäten nach Deutschland", stellte das IW fest.

Für die deutsche Industrie sei das eine schlechte Nachricht. China mache offenbar ernst mit seinem Vorhaben, seine Überkapazitäten zu exportieren, um Marktanteile zu gewinnen. Deutsche Unternehmen kämpften derweil mit höheren Kosten und gerieten im Wettbewerb mit den günstigen Importen aus China zunehmend unter Druck. "Für die Politik sollten diese Zahlen ein echter Warnschuss sein", hieß es weiter.

Das sieht das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung nicht anders. "Die Exportschwäche nach China reflektiert die erste zentrale Herausforderung für Deutschland: die aggressive Industriepolitik des asiatischen Landes", sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien. "Die Regierung in Peking versucht, im Rahmen der 'Made in China 2025' Strategie heimische Industrien gerade in jenen Bereichen zum Weltmarktführer zu machen, in denen Deutschland bisher stark war."