Buchkritik: Die Gaming-Falle

>Jeannine Simon zockt selbst gern, als Kommunikationswissenschaftlerin kennt sie allerdings die Schattenseiten ihres Hobbys genau. Mit ihrem Buch versucht sie, bei ihrer Leserschaft ein Bewusstsein für Strategien und Tricks der Gaming-Industrie zu wecken.

Psychologische Erwägungen spielen eine zentrale Rolle. Als Erstes erklärt die Autorin, warum digitale Spiele so faszinierend sind: Sie bedienen viele psychische Grundbedürfnisse wie Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit. Geschickt entworfene Belohnungssysteme bringen das Dopamin zum Fließen. Wenn es gelingt, Flow-Zustände zu erzeugen, hat das Spiel den Nutzer im Griff.

Hersteller, Betreiber und Marketingstrategen nutzen mehr oder minder hemmungslos die Erkenntnisse der Humanpsychologie, um bei Nutzern die knappen Ressourcen Zeit und Geld lockerzumachen. Typische Spielmechaniken bauen darauf auf; so sorgen etwa Verlustängste dafür, dass Teilnehmer persistenten Welten treu bleiben und im Lauf der Zeit bereit sind, immer mehr in einen bestehenden Account zu investieren, nur um dabeibleiben zu können und die getätigten Investitionen nicht wieder einzubüßen.

In-Game-Käufe bringen Herstellern und Spielsystembetreibern heute viel mehr ein, als klassische Spieleverkäufe es früher vermochten. Dementsprechend besteht ein Wettbewerb um immer effizientere Mechanismen, die Spieler erst zu minimalen, dann zu immer größeren spielinternen Käufen animieren. Jeannine Simon geht detailliert auf virtuelle Kaufobjekte, Preise und Transaktionen ein. Sie erklärt die Problematik von Spielewährungen und setzt sich ausführlich mit eingebauten Glücksspielsimulationen und Lootboxen auseinander.

Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit der Datensammelwut vieler Anbieter. Nutzerdaten dienen nicht bloß personalisierter Werbung, sondern bilden auch die Basis für Algorithmen, die den Absatz von In-Game-Inhalten vermehren. Sogar fürs Alltagsleben sind sie aussagekräftig: Aus Detailbeobachtungen von Nutzern in Spielen können Forscher etwa darauf schließen, wie sich Menschen generell im Straßenverkehr verhalten.

Ein weiteres Thema des Buches betrifft Werbung in Spielen und Influencer: Besonders die Zielgruppe junger Spieler hat sich dafür als anfällig erwiesen.

Der Text ist kompakt und kurzweilig. Die Lektüre setzt keine Fachkenntnisse voraus. Jeannine Simons Buch spricht nicht nur Spieler an, die gern hinter den Vorhang des Marketings blicken, sondern auch Eltern. Hilfreich ist, dass die Autorin konkrete Spiele aufgreift und wichtige Fachbegriffe in einem Glossar erklärt.

Mehr Infos

Jeannine Simon

Die Gaming-Falle

Wie digitale Spiele uns um Zeit, Geld und Daten bringen

kopaed, München 2024

ISBN 978-3968481555

162 Seiten, 17 € (PDF-/Kindle-E-Book: 12 €)