"Es geht um seltene Erden und andere Dinge", sagt US-Präsident Trump über ein mögliches Rohstoff-Abkommen mit der Ukraine. Aber um welche Stoffe geht es genau, wo liegen sie und wie kommt Trump an sie heran?
Schon am Freitag soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Washington landen - im Gepäck: Gestein im Wert von Billionen Dollar. Natürlich nur im übertragenen Sinn. US-Präsident Donald Trump und sein ukrainischer Counterpart Selenskyj wollen ein Bodenschatz-Abkommen unterzeichnen.
Zu dem geplanten Abkommen sagte Trump: "Es könnte alles Mögliche sein, aber es geht um seltene Erden und andere Dinge." Schon vor der US-Wahl hatte Selenskyj angedeutet, Rohstoffe als Gegenleistung für westliche Hilfen einzusetzen.
Das ukrainische Rohstoffministerium und das Institut für Geologie preisen die enormen Ressourcen des Landes an: In einem Katalog mit dem Titel "Investitionsmöglichkeiten im Bergbau"heißt es, die Ukraine habe alles, was es brauche, "um zu einem wichtigen Lieferanten kritischer Rohstoffe für die globale Industrie zu werden".
Der Stoff für Handys, Autos und Raketen
Manche Medien hatten in den vergangenen Tagen infrage gestellt, ob in der Ukraine tatsächlich kritische Rohstoffe im von Trump nahegelegten Ausmaß vorhanden sind. Der Bergbauingenieur Carsten Drebenstedt sagt im Gespräch mit ntv.de dazu, man müsse immer zwischen Potenzial und tatsächlichem Abbau unterscheiden. "Entsprechend der geologischen Struktur der Ukraine, angesichts ihrer Größe, gibt es natürlich ein erhebliches Lagerstättenpotenzial", so der Professor von der TU Bergakademie Freiberg.
Laut der ukrainischen Veröffentlichung kommen in dem Land 22 der 34 Mineralien vor, die die Europäische Union als kritisch einstuft. Besonders hervorgehoben werden Grafit, Lithium, Titan, Beryllium und Uran - sie sind in Smartphonebatterien verbaut, lassen Flugzeuge durch die Luft gleiten, schützen Brücken vor Korrosion oder machen Röntgenuntersuchungen effizienter.
Darüber hinaus verfüge die Ukraine über Vorkommen seltener Erden. Tantal und Niobium etwa würden bislang nur als Nebenprodukte des Titanabbaus gefördert, heißt es in dem Papier. Besonders Tantal spielt in der Elektronik eine Schlüsselrolle: Tantalkondensatoren sind besonders effizient, langlebig und resistent - und werden deshalb in Handys, Autos und sogar Raketen verbaut. Eine kommerzielle Erschließung der ukrainischen Vorkommen stehe jedoch noch aus.
Das größte Lithiumvorkommen Europas
Im Verhältnis zum Potenzial sei in der Ukraine sehr wenig abgebaut worden, sagt Drebenstedt. Das sei oft ein Indikator dafür, dass Lagerstätten schwer zugänglich seien. In der Sowjetunion war die Nachfrage nach seltenen Erden noch nicht gegeben. In den vergangenen Jahrzehnten aber stieg die Nachfrage nach Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Nickel und Grafit. Um das Jahr 2010 gab es schon einmal einen Wettlauf um Zugang zu seltenen Metallen, erinnert sich Drebenstedt. Auch in dieser Zeit habe die Ukraine keine große Rolle gespielt.
Das Land suchte bereits vor Trumps Forderungen nach Investoren für den kostspieligen Abbau und stellte seine Rohstoffe dafür ins digitale Schaufenster: Auf der Webseite des ukrainischen Instituts für Geologie sind 25 Bergbaulizenzen gelistet. Einige sind demnach schon verkauft, der Zugriff auf ein Golderz-Vorkommen in Dnipropetrowsk etwa, fünfmal so groß wie der Berliner Tiergarten. Manche stehen bereit zur Auktion, es gibt da unter anderem eine Lizenz für die Erkundung von Titanerz-Vorkommen in Charkiw.
Nicht nur die Ukraine selbst ist von ihrem Potenzial überzeugt: Laut einer ukrainisch-französischen Studie sitzt die Ukraine auf den größten Titan-, Mangan- und Lithiumvorkommen Europas, der Krieg aber habe die Erschließung der Lagerstätten zum Erliegen gebracht. Laut Isabel Al-Dhahir vom Wirtschaftsanalyse-Riesen GlobalData hätten die Lithium-Reserven der Ukraine eine Schlüsselrolle für die EU spielen können, viele Unternehmen hätten nach Russlands Einmarsch aber ihre Explorationspläne auf Eis gelegt.
Großteil der seltenen Erden in russisch kontrolliertem Gebiet
Die ukrainische Schaufensterauslage hat offenbar Begehrlichkeiten geweckt. Beobachter vermuten, Russlands Invasion könnte auch durch das reiche Angebot an Bodenschätzen motiviert gewesen sein. Nun mischt auch die US-Regierung mit: Ein möglicher Deal zwischen Trump und Selenskyj könnte die Rohstoffpolitik der Ukraine entscheidend verändern.
Die kritische Frage dabei dürfte sein, wer die Gebiete kontrolliert, in denen die Rohstoffe zu finden sind. Der Großteil der seltenen Erden in der Ukraine liege in russisch kontrolliertem Gebiet, sagt Peter Buchholz, Leiter der deutschen Rohstoff-Agentur, im Gespräch mit ntv.de. Er halte es deshalb für wahrscheinlich, dass es den USA eher generell um kritische Rohstoffe ginge.
Die Ukraine ist in vier große geologische Provinzen unterteilt: Der Ukrainische Schild in der Zentral- und Süd-Ukraine birgt Eisen, Titan, Uran, Lithium, Grafit und verschiedene seltene Erden. Den südwestlichen Teil des Schildes, den Donbass hält Russland teilweise besetzt. Im Dnepr-Tiefland im Nordosten des Landes finden sich Öl, Gas, Kohle, Salz, Kupfer und Quecksilber. Die Podolische Platte und der Karpatengürtel im Westen und Süden enthalten Kohle, Schwefel, Phosphate, Polymetalle, Quecksilber und Zeolithe. In der Schwarzmeersenke im Süden der Ukraine kommen zudem Mangan, Kohle und Bauxit vor.
"Kurzfristig betrachtet eine typische Trump-Show"
Um solche Stoffe zu fördern, sind laut Drebenstedt drei Dinge nötig: Geld, Erfahrung im Bergbau und eine Genehmigung. Vor allem an Finanzkraft und Know-how mangelt es in der Ukraine seiner Einschätzung nach. Das Potenzial sei vorhanden, aber die Investoren müssten gewillt sein, ihr Investment auch durchzuhalten: "Denn das ist kein schnelles Geschäft", sagt Drebenstedt. Man würde eher in zwanzig als in zehn Jahren Ergebnisse sehen.
Wollte Trump die Früchte seines Deals selbst noch sehen, müsste er also möglicherweise fast 100 Jahre alt werden. "Kurzfristig betrachtet ist dieser Rohstoffdeal zwischen den USA und der Ukraine vor allem eine typische Trump-Show", sagt Rohstoffagentur-Leiter Buchholz. Langfristig aber könne der Deal ein Baustein für die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine sein - "mit Perspektiven für lukrative Rohstoffgeschäfte sowohl mit Europa als auch mit den USA."
Für Drebenstedt ist es schwer verständlich, warum Trump ausgerechnet in der Ukraine seltene Erden abbauen wolle. Auf der Welt gäbe es rund 40 bekannte Top-Lagerstätten, die Rohstoffe seien in diesem Sinne nicht selten, nur sehr aufwendig zu heben. Warum genau das ausgerechnet im Kriegsgebiet leichter sein sollte? Selbst für Drebenstedt schwer zu sagen.