Die Entlassung des Vorgängers löste Massenproteste in Israel aus. Nun soll nach dem Willen von Regierungschef Netanjahu ein Marinekommandeur den Inlandsgeheimdienst Schin Bet leiten. Doch das Oberste Gericht könnte den Personalwechsel noch verhindern.
Trotz massiver Proteste und eines laufenden Verfahrens am Obersten Gerichtshof hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu einen Nachfolger für den von ihm entlassenen Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet bestimmt. Nach Gesprächen mit sieben Kandidaten habe sich der Regierungschef für den früheren Marinekommandeur Eli Scharvit entschieden, erklärte Netanjahus Büro.
Die Entscheidung ist hoch umstritten, da der Oberste Gerichtshof die Entlassung des Vorgängers auf Eis gelegt hatte. Netanjahus Büro verwies auf die militärische Erfahrung von Scharvit. Dieser habe 36 Jahre lang gedient, davon fünf Jahre als Marinekommandeur.
Netanjahu hatte den bisherigen Schin-Bet-Chef Ronen Bar im März entlassen und dies mit mangelndem Vertrauen in den Geheimdienstchef und dem Versagen von Schin Bet beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 begründet. Bar bezeichnete die Entscheidung dagegen als politisch motiviert. Sein Verhältnis zu Netanjahu ist angespannt seitdem der Geheimdienst in einem Untersuchungsbericht zum 7. Oktober 2023 neben dem eigenen Versagen auch Fehler der Regierung benannt hatte. Außerdem ermittelt Schin Bet zu mutmaßlichen Zahlungen aus Katar an einen Netanjahu-Vertrauten.
Kritik vom Oppositionsführer
Die Entscheidung der Regierung zur Entlassung Bars hatte in Israel heftige Proteste ausgelöst. Zudem legte der Oberste Gerichtshof die Entlassung mit einer einstweiligen Verfügung auf Eis. Das Gericht will sich bis zum 8. April mit mehreren Einsprüchen gegen Bars Entlassung befassen. Daher ist völlig unklar, ob und wann Scharvit die Leitung des Geheimdienstes übernehmen wird.
Oppositionsführer Benny Gantz forderte Netanjahu auf, erst die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs abzuwarten. Mit der Nominierung von Bars Nachfolger noch während des laufenden Verfahrens habe sich Netanjahu dafür entschieden, "seine Kampagne gegen das Justizsystem fortzusetzen und den Staat Israel in eine gefährliche Verfassungskrise zu führen", erklärte der frühere Verteidigungsminister.
Der Oberste Gerichtshof habe Netanjahu zwar offiziell erlaubt, schon während des laufenden Verfahrens Gespräche mit den Kandidaten für Bars Nachfolge zu führen, sagte ein Rechtsexperte. Die endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit seiner Entlassung stehe aber noch aus. Mit der Auswahl eines Nachfolgers wolle Netanjahu nun möglicherweise "Fakten schaffen". Es könne sich auch um einen Versuch handeln, "das Gericht zu beeinflussen", sagte der Experte. Neben Bar liegt der israelische Ministerpräsident auch mit Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara über Kreuz und will diese ebenfalls ihres Amtes entheben.