Die USA sind kein verlässlicher Partner für Europa mehr, wirtschaftlich und militärisch. Das ist nach den Ereignissen der Chat-Panne erneut klar geworden. Bei Caren Miosga fordert SPD-Chef Klingbeil jedoch, Europa dürfe die USA nicht fallenlassen.
Die USA haben offensichtlich ein Sicherheitsproblem. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, fügte US-Sicherheitsberater Michael Waltz einen Journalisten zu einem Signal-Chat hinzu, bei dem hochrangige Mitglieder der US-Regierung einen Angriffsplan auf Huthi-Milizen besprachen und über die Europäer lästerten. Wenig später kam heraus, dass Telefonnummern, E-Mail-Adressen und sogar Passwörter wichtiger US-Politiker frei im Internet zugänglich sind. Caren Miosga nimmt sich dieses Themas an und fragt am Sonntagabend: "Ist auf Trumps Amerika noch Verlass?" SPD-Chef Lars Klingbeil, der gerade an den Verhandlungen über eine mögliche künftige schwarz-rote Koalition beteiligt ist, und zwei weitere Gäste sollen diese Frage beantworten.
"Was mich am meisten schockiert, ist diese Art, dass man so wie pubertierende Teenager kommuniziert über eine sehr ernste Sache", kommentiert Klingbeil den veröffentlichten Chat über den geplanten Angriff. Zugleich sagt er, dass die Schlagzeilen, die Trump ständig raushaue, auch Auswirkungen auf die Koalitionsverhandlungen hätten - wobei Klingbeil noch nebenbei erklärt, dass Friedrich Merz ihm in der vergangenen Woche das "Du" angeboten habe.
Die Konfliktforscherin Florence Gaub vermutet, dass bei dem Chat sicherheitsrelevante Informationen weitergegeben worden sind. Allerdings sagt sie auch: "Ich glaube, dass es klar sein muss, dass es hinter verschlossenen Türen eine Art von Sprache gibt, die nicht die öffentliche diplomatische Sprache ist." "Es geht hier nicht um Kompetenzen, es geht hier um Loyalitäten", sagt die Zeit-Online-Korrespondentin Rieke Havertz und spricht von dem "größten Sicherheitsproblem, das Trump je hatte."
Von Dummheit will keiner der Gäste reden. "Ich sorge mich um die USA", sagt Klingbeil. Die ersten Wissenschaftler würden die Vereinigten Staaten bereits verlassen. "Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, es wird gegen Journalisten jeden Tag agiert, es wird gegen Gerichte agiert, die Institutionen des Staates werden infrage gestellt. Das sind sehr gefährliche Prozesse, und ich frage mich, wie die USA sich in den nächsten Jahren entwickeln. Ich beobachte das mit großer Sorge." Dennoch fordert der SPD-Politiker: "Wir müssen die Hand immer ausgestreckt halten. Wir dürfen uns nicht zurückziehen. Wir müssen die Zusammenarbeit immer suchen, aber trotzdem kritisch beobachten, was in den nächsten Jahren in den USA passiert."
Deutschland und die USA
"Diese Bundesregierung muss große Dinge schaffen. Das ist das, wozu wir verdammt sind", sagt Klingbeil. Denn seit Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten ist, ist diese Welt eine andere geworden.
Die Unterhändler der Vereinigten Staaten haben in der vergangenen Woche mit Russland und der Ukraine einen Waffenstillstand im Schwarzen Meer ausgehandelt, den Russland jedoch anschließend an die Lockerung von Sanktionen knüpfte. Die gebe es nicht, heißt es bei der Europäischen Union. Inzwischen haben Frankreich und England angekündigt, die Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine zu prüfen, wenn dort der Krieg beendet ist. Doch bisher sei Russland noch nicht zu einem Waffenstillstand bereit, sagt der ukrainische Präsident Selenskyj. Das glaubt auch Florence Gaub. Darum sei jetzt noch nicht die Zeit, auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zuzugehen, betont Klingbeil.
Das bisherige Ergebnis der Friedensverhandlungen zwischen den USA, Russland und der Ukraine in Riad empfinde er als ernüchternd, sagt Klingbeil. Doch Trump wolle ein Ergebnis erreichen. "Das kann zu unseren Lasten gehen als Europäer, das kann vor allem zulasten der Ukrainer gehen."
Keine Abkehr von den Sanktionen
Eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland, wie es inzwischen wieder einige Unionspolitiker fordern, kann Klingbeil sich nicht vorstellen. "Wir haben 2014 einen großen Fehler gemacht, indem wir geglaubt haben, wir haben jetzt eine stabile Situation mit Putin. Aber während wir uns hier ausgeruht haben, hat er den nächsten militärischen Angriff vorbereitet. Deswegen darf eines nicht passieren: Selbst wenn es zu einem Waffenstillstand kommt, was ich gerade nicht weiß, wann das sein kann: Wir dürfen hier nicht nachlassen. Putin hat Großmachtphantasien. Der schaut auf das Baltikum, Georgien und Moldau. Und nur, weil es zu einem Waffenstillstand käme, würde ich nicht behaupten, dass dann Schluss ist mit seiner militärischen Aggression." Deutschland habe sich von russischem Gas unabhängig gemacht. Dieser Weg müsse konsequent weitergegangen werden. "Wir dürfen nicht mehr naiv werden."
Ob sich Deutschland an möglichen Friedenstruppen für die Ukraine beteiligen will, sagt Klingbeil nicht. "Ich halte das nicht für den richtigen Zeitpunkt, über diese Fragen öffentlich zu spekulieren", so der SPD-Politiker. Jetzt sei der Zeitpunkt, über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine zu reden. Zudem müssten ukrainische Soldaten ausgebildet und die Armee gestärkt werden.