600 Menschen sterben bei schweren Kämpfen in Syrien

Es ist der größte Gewaltausbruch in Syrien, seit Assad Anfang Dezember vor Aufständischen nach Russland geflohen ist: Augenzeugen berichten von Racheakten an Angehörigen der Alawiten, zu denen auch der gestürzte syrische Präsident gehört. Schätzungen gehen von 600 Toten aus.

Die Zahl der Toten bei den Zusammenstößen zwischen syrischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Präsidenten Baschar al-Assad ist auf mehr als 600 gestiegen. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden 120 Pro-Assad-Kämpfer und 89 Sicherheitskräfte getötet. Hinzu kommen 428 Angehörige der alawitischen Religionsgemeinschaft, zu der auch Assad gehört. Der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdurrahman, bezeichnete die Tötung alawitischer Zivilisten als "eines der größten Massaker während des Syrienkonflikts". Die Rachemorde hätten am Morgen aufgehört. Offizielle Zahlen gab es nicht.

Alawiten leben größtenteils an der syrischen Mittelmeerküste und waren eine wichtige Unterstützergruppe für die mehr als 50 Jahre lange Herrschaft des Assad-Clans in Syrien. Bewohner alawitischer Städte und Dörfer berichteten, Bewaffnete hätten Alawiten auf offener Straße oder vor den Türen ihrer Häuser erschossen. Die meisten Getöteten seien Männer. Häuser seien geplündert und in Brand gesteckt worden. Tausende Einwohner seien in die Berge geflohen.

Einwohner von Banijas, einer der am stärksten von der Gewalt betroffenen Städte, berichteten, Tote lägen auf den Straßen oder in Häusern und auf den Dächern und niemand sei in der Lage, sie zu beerdigen. Bewaffneten hätten Bewohner stundenlang daran gehindert, die Leichen von fünf ihrer Nachbarn wegzubringen, die am Freitag aus nächster Nähe erschossen worden seien.

Auf Gebäude und Bewohner geschossen

Der 57-jährige Ali Schea sagte, mindestes 20 seiner Nachbarn und Kollegen in einem größtenteils von Alawiten bewohnten Viertel von Banijas seien getötet worden. Er sprach von Rachemorden an der alawitischen Minderheit für die von der Assad-Regierung begangenen Verbrechen. Bewaffnete hätten weniger als 100 Meter von seinem Wohnhaus entfernt wahllos auf Gebäude und Bewohner geschossen. Er wisse aber auch von mindestens einen Fall, in dem die Bewaffneten nach Ausweisen gefragt hätten, um die Religionszugehörigkeit festzustellen. Er selbst sei geflohen.

Andere Bewohner sagten, unter den Bewaffneten seien ausländische Kämpfer und Extremisten aus benachbarten Dörfern und Städten gewesen. Die Zusammenstöße brachen am Donnerstag aus und sind der größte Gewaltausbruch in Syrien, seit Assad Anfang Dezember vor Aufständischen nach Russland geflohen ist. Die neuen Machthaber haben sich gegen Vergeltungstaten ausgesprochen und erklärten jetzt, sie hätten auf Angriffe von Überresten der Assad-Truppen regiert. Für die ausufernde Gewalt machten sie "individuelle Aktionen" verantwortlich.