Prognoseautomat: Wie KI die Reiseinformation bei der Bahn verbessern soll

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Die Deutsche Bahn (DB) will die Qualität der Reiseinformation über alle Ausspielpunkte wie den DB Navigator, Monitore an Bahnhöfen und Anzeigen in den Zügen deutlich verbessern. So sollen etwa Haltausfälle im Fernverkehr statt bislang elf Minuten mindestens 60 Minuten vorher kommuniziert werden. Sprunghafte Anstiege bei außerplanmäßigen Halten sollen seltener auftreten. Entsprechende Informationen will die Bahn alle zwei Minuten aktualisieren.

Insgesamt sollen die Prognosen für Ankunft und Abfahrt von Zügen im Rahmen des Sanierungsprogramms S3 genauer werden, erklärte Daniela Gerd tom Markotten, Vorständin für Digitalisierung und Technik bei der DB AG. Die Informationen für Reisende werden ihr zufolge verlässlicher, konsistent, verständlich, intuitiv "und damit handlungsleitend". Dabei spiele Künstliche Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle. Die Bahn habe ihre 40.000 Züge am Tag zu rund 400 Millionen Datenpunkten gemacht, führte Markotten aus. Daraus entstünden täglich rund 150 Millionen Prognosen für über 20.000 Fahrten im Regional- und Fernverkehr.

Für diese Vorhersagen setzt die DB laut der Managerin Mustererkennung, Maschinenlernen und Reinforcement Learning ein. Diese "bestärkende" Methode ahmt den Lernprozess nach, mit dem Menschen durch Versuch und Irrtum Ziele erreichen. Das seit 2018 aufgebaute KI-System, das viele offene Bibliotheken und Algorithmen im Sinne der OpenRail Association zur Entwicklung von Open-Source-Softwareprojekten im Eisenbahnsektor nutze, schaue etwa darauf, wie die Zugverläufe im Vergleich zu Ist-Fahrten waren und wie die Kunden- und Betriebsfahrpläne aussehen. Dazu kämen die tatsächlichen GPS-Echtzeitdaten von den Zügen sowie Erkenntnisse zum regulären Reiseaufkommen.

Datenplattform "Single Point of Truth"

Der so entstandene Prognoseautomat rechnet bei bekannten Baustellen wie einer aktuellen Umleitung zwischen Hamburg und Kiel die dadurch entstehende Verspätung in Form von 20 Minuten bereits ein. Wenn auf der weiteren Strecke nach Berlin noch etwas passiert, schlägt das System beispielsweise noch einmal zehn Minuten drauf. Kommt dann aber noch eine Weichenstörung hinzu, gelangt der Automat "an seine Grenzen", gab Markotten zu. Zusätzlich könnten nun aber auch Disponenten der DB Infrastrukturgesellschaft InfraGo und von regionalen Eisenbahnverkehrsunternehmen manuell ihre genauere Prognose ins System in Rücksprache mit dem zuständigen Triebfahrzeugführer eingeben. Damit funktioniere der Automat inzwischen "prinzipiell sehr, sehr gut".

Als "Treibstoff für die KI" binde die DB immer neue Datenquellen wie Auslastungsanzeigen an. Auch die erfolgen mittlerweile in Echtzeit pro Wagen, sodass sich Reisende an Bahnsteigen passend positionieren können. Ziel sei es, auf allen Ausgabekanälen Informationen in gleicher Qualität und Zeit anzuzeigen. Dafür habe die Bahn eine gemeinsame Datenplattform ("Single Point of Truth") gebaut. Es gebe aber noch technische Verzögerungen, die bei Bahnhofsmonitoren wenige Sekunden und beim Navigator noch etwas länger ausmachen können. In den ältesten ICEs vom Anfang der 90er-Jahre fehlt teilweise die Technik für Echtzeit-Anzeigen.

Aufrüstung bei Monitoren

Bundesweit hat die Bahn ferner 2024 für knapp 50 Millionen Euro von Bund, Ländern und DB über 1650 moderne und besser aufgelöste Monitore an den Bahnsteigen installiert. Dabei handelt es sich sowohl um sogenannte Dynamische Schriftanzeiger (DSA), die an kleineren Bahnhöfen zum Einsatz kommen, als auch um große ZugInfoMonitore (ZIM) an mittleren und großen Bahnhöfen. Am Berliner Hauptbahnhof etwa können Reisende nun auf sechs 200-Zoll-Monitoren die Anzeigen gesplittet nach Regional- und Fernverkehr sowie S-Bahn sichten. Als Hardware kommt hier und an anderen großen Knotenpunkten das "Reisendeninformation der Zukunft" (IRIS+) zum Einsatz, bei dem auch Gleichwechsel farblich hinterlegt sind. Die Prognose-Genauigkeit von Zug- und Haltausfällen sowie von Gleiswechseln soll bis spätestens 2027 von aktuell 74 auf dann 80 Prozent steigen.

Deutschlandticket im Navigator besser berücksichtigt

Der Navigator, den Stefanie Berk, Marketingvorständin bei DB Fernverkehr, als "Leuchtturm" mit über 80 Millionen Downloads, rund 35 Millionen Kundenkonten und 160 Millionen Reiseauskünften pro Monat bezeichnete, wartet seit März mit zwei neuen Funktionen auf. In der Verbindungsübersicht lassen sich über einen Filter nur Verbindungen anzeigen, die mit dem Deutschlandticket genutzt werden dürfen. Bei einer Ticketbuchung mit Fernverkehrszügen werden etwaige Nahverkehrsanteile zudem nicht mehr mit berechnet. Die Funktion "Reisevorschau" ist jetzt auch auf der Smartwatch (iOS und Android) verfügbar.

Ersatzverkehr wird nun mit Baustelleninformationen und interaktiver Karte in der App hinterlegt. Zum Buchen von Auslandsreisen testet die DB mit zwei, drei anderen Gesellschaften die Weitergabe von Daten nach dem neuen Standard Open Sales and Distribution Model (OSDM). Ab Mitte des Jahres will die Bahn auch mit dem Verkauf von Tickets "von außen" live gehen. Datenschutz in der App schreibe das Unternehmen dabei groß, sodass es gelassen auf die Klage der Aktivisten von Digitalcourage wegen Tracking schaue.