Analoge Fotografie als immaterielles UNESCO-Kulturerbe in Deutschland anerkannt

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Die analoge Fotografie wurde erfolgreich als immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Die Deutsche UNESCO-Kommission bestätigte die Aufnahme und würdigt damit Techniken, bei denen Fotografen mit lichtempfindlichen Materialien wie Film oder Fotopapier arbeiten. Im Gegensatz zur digitalen Fotografie entstehen Bilder dabei durch chemisch-physikalische Prozesse. Oft muss das Positiv oder Negativ in der Dunkelkammer entwickelt und noch auf einem Präsentationsmedium, wie Fotopapier ausbelichtet werden.

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Die Initiative für die Anerkennung ging von Claudia Determann vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Christian Klant vom Deutschen Fotorat und Thomas Gerwers von der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) aus. Die Entscheidung folgte einer gründlichen Prüfung durch Expertinnen und Experten, die sowohl die historische Bedeutung als auch die gegenwärtige Relevanz der analogen Fotografie bewerteten.

Christian Klant, Arbeitsgruppenleiter der AG Künstlerische Fotografie im Deutschen Fotorat, betont: "Die Anerkennung der analogen Fotografie als immaterielles Kulturerbe der UNESCO ist ein wichtiger Schritt in der Bewahrung wertvollen Wissens und Könnens handwerklicher fotografischer Verfahren."

Analoge Fotografie als Teil der deutschen Geschichte

Vor 100 Jahren revolutionierte die Leica I die Fotografie. Oskar Barnack erschuf mit seiner "Lilliput"-Kamera ein völlig neues Konzept: kompakt, handlich und mit 36 Aufnahmen auf einem Film. Barnack verfolgte ein klares Ziel: Er wollte fotografieren, ohne schwere Plattenkameras und Stative zu schleppen. Seine geniale Lösung war die Drehung des 35-mm-Kinofilms um 90 Grad, wodurch das heute klassische 24×36-mm-Format entstand. Die Brennweite von 50 Millimetern erwies sich als idealer Kompromiss für Bildqualität und Kameragröße.

Trotz anfänglicher Skepsis wagte Ernst Leitz II 1924 die Serienproduktion mit den Worten: "Es wird riskiert." Ein mutiger Schritt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Berufsfotografen verspotteten die Kamera als Spielzeug, doch ab 1931 machte die Leica bereits 70 Prozent des Firmenumsatzes aus.

Barnacks Erfindung veränderte nicht nur die Technik, sondern auch die Art des Fotografierens: spontan, unauffällig und dynamisch. Was zunächst als kurioses Experiment belächelt wurde, definierte letztlich den Standard der Fotografie für ein ganzes Jahrhundert.

Die Renaissance der analogen Fotografie

Das analoge Fotografieren zwingt Fotografen damals wie heute zu bewusstem Arbeiten. Mit nur 36 oder weniger Aufnahmen pro Film überlegt man zweimal, bevor man auslöst. Schwarz-Weiß-Filme können selbst entwickelt und deren Bilder im eigenen Labor zu Hause ausbelichtet werden. Farbfilme gehen dagegen meist in ein professionelles Labor. Doch auch die älteren Techniken, wie die Fotografie auf Glas mit Fachkameras, gehören zum kulturellen Erbe.

In einer Zeit digitaler Perfektion erlebt die analoge Fotografie seit einigen Jahren ein beachtliches Comeback, das sowohl ältere als auch jüngere Generationen in ihren Bann zieht. Diese Anziehungskraft des Analogen liegt nicht in technischer Überlegenheit – hier dominiert klar die Digitalfotografie. Vielmehr begeistern die sinnlichen Aspekte: das spürbare Auslösegeräusch, der Widerstand beim Filmtransport, der Geruch der Entwicklerchemie. Diese haptischen Erlebnisse schaffen eine emotionale Verbindung zur Fotografie, die im Digitalen oft fehlt.

Auch der Gebrauchtmarkt zeugt von der langen und vielfältigen Tradition der analogen Fotografie. Man findet klassische Spiegelreflexkameras der 70er und 80er Jahre wie die Nikon FG, Point-&-Shoot-Modelle wie die Olympus mju-Serie oder Mittelformatkameras von Mamiya oder Hasselblad.

Die Filmwahl prägt den Charakter der Bilder entscheidend. Die Bandbreite analogen Filmmaterials wurde seit Barnacks Zeiten stark erweitert. Mit dem Start der Digitalfotografie brach die Produktion ein und Hersteller gaben die Produktion auf. Heute ist die Auswahl wieder größer. Es gibt dabei unterschiedliche Arten von Filmen, beispielsweise Positivfilme, wie sie für Dias genutzt wurden, Schwarz-Weiß-Filme wie Kodak TriX, die einen großen Belichtungsspielraum bieten, Farbnegativfilme wie Kodak Portra für natürliche Farben, oder auch Spezialfilme wie der Lomochrome Purple für experimentelle Ergebnisse.

Analoge Fotografie bietet auch einen enormen Raum für Kreativität und sinnliche Erfahrungen. So wird das Unerwartete oft zum gestalterischen Element. Statt perfekter Kontrolle können Fotografen auch auf Überraschungen durch spannende Techniken setzen – beispielsweise abgelaufene Filme, Crossentwicklung und Doppelbelichtungen – die jeweils eine einzigartige Ästhetik in Verbindung mit Motiv, Filmmaterial und Entwicklung liefern.

Verpflichtungen und Maßnahmen zum Erhalt

Mit der Anerkennung als UNESCO-Kulturerbe verpflichtet sich Deutschland, das Wissen um die analoge Fotografie zu erhalten und weiterzugeben. Dies umfasst konkrete Maßnahmen wie die Förderung von Bildungsangeboten in Schulen und Universitäten, Unterstützung für Werkstätten und Labore sowie die systematische Dokumentation traditioneller fotografischer Prozesse.

Die Präsidentin der Kulturministerkonferenz und Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus, Barbara Klepsch, sieht in der Entscheidung einen Beleg für die "lebendige kulturelle Vielfalt und Kreativität in Deutschland".

Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission, hebt die gesellschaftliche Bedeutung hervor: "Das immaterielle Kulturerbe prägt unser Leben und unsere Gesellschaft. Es verbindet Generationen, schlägt Brücken zwischen ganz unterschiedlichen Menschen und stärkt das Miteinander".

Zukunftsperspektiven

Die Aufnahme in das Kulturerbe-Register unterstreicht: Analoge Fotografie stellt mehr als Nostalgie dar – sie verkörpert ein lebendiges Kulturgut, das bewahrt und weiterentwickelt werden möchte. Der Deutsche Fotorat plant als nächsten Schritt, eine Plattform zu schaffen, die bestehende Initiativen zur analogen Fotografie vernetzt. Zudem will er sich für eine internationale Anerkennung dieser Technik einsetzen.