Norwegischer Politthriller zeichnet düsteres Anschlagsszenario

Parlamentswahlen stehen an. Ein klarer Sieger zeichnet sich ab. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Rechtsextremisten setzen eine Terrorwelle in Gang, die Opfer fordert und Ängste schürt. Politische Machtspiele, dunkle Geheimnisse - und zwei Polizisten mittendrin: Das ist ein brandaktueller Politthriller aus Norwegen.

Politik ist ein schmutziges Spiel. Das Streben nach Anerkennung und die Gier nach Macht lassen bei so manchem Volksvertreter die Moral in den Hintergrund treten. Die jüngsten Bundestagswahlen hierzulande haben das eindrucksvoll gezeigt. Wer von alldem Gezänk und Gezeter, von den verbalen Tiefschlägen und hinterhältigen Ränkespielchen noch nicht genug hat, dem sei "Echokammer" von Ingar Johnsrud allerwärmstens ans Herz gelegt. Brandaktuell, politisch hochbrisant - kurzum: das Hörbuch des Jahres! Und das ist kein leeres Versprechen.

Der neue Thriller des norwegischen Bestsellerautors spielt wenige Wochen und Tage vor den Parlamentswahlen in Norwegen. Die politische Stimmung ist aufgeheizt, denn die Umfragen sagen einen Machtwechsel voraus: Die Arbeiterpartei drängt nach acht Jahren in der Opposition wieder an die Macht, mit der Doppelspitze aus dem in die Jahre gekommenen Waldemar Greger und der jungen, machthungrigen Christina Nielsen. Nielsen holt zudem als Berater Jens Meidel an Bord. Der Polizeijurist ist der Sohn der ehemaligen Parteichefin. Alle drei haben düstere Geheimnisse, die besser nie ans Tageslicht kommen.

Eine toxische Gemengelage

Der sich abzeichnende Erfolg der Arbeiterpartei beruht zum einen auf Inhalten, den Themen Migration und Kriminalität, aber auch auf der Präsenz in sozialen Netzwerken. Dafür hat Nielsen extra eine Firma engagiert, deren Chef Daniel Carmichael keinerlei Skrupel kennt. Meidel wird das zwar schnell klar, aber da ist das sprichwörtliche Kind bereits in den dunklen, tiefen und eiskalten Brunnen gefallen.

Parallel zum Wahlkampf sieht sich Norwegen einer Terrordrohung gegenüber. Rechtsextremisten haben eine Anschlagswelle geplant, die Ziele sind allerdings nicht bekannt, die Hintermänner nicht auffindbar. Liselott Benjamin und Martin Tong von der Antiterrorpolizei PST wissen nur, dass Gift mit im Spiel sein wird. Eines der tödlichsten überhaupt: Rizin.

Die beiden Antiterror-Ermittler sind darauf durch Zufall gestoßen: Bei einem durch einen Elch verursachten Autounfall, bei dem der Fahrer, einer der Rechtsterroristen, schwer verletzt wird, findet Benjamin einige Schalen von Castor-Bohnen. Sie wachsen an der Christus-Palme. Das Gift wird aus der Masse extrahiert, die nach der Gewinnung des Öls verbleibt: Mit verhältnismäßig einfachen Mitteln ist es möglich, Rizin in Pulverform oder als Aerosol herzustellen. Rizin ist farb- und geruchslos. Eine Menge von ein paar wenigen Salzkörnern reicht aus, um einen Menschen zu töten. Fieber, Wellen von Erbrechen und Durchfall, Krämpfe, Husten, Zellabbau, die Lungen füllen sich mit Flüssigkeit, die Organe versagen. Der Todeskampf kann bis zu 72 Stunden dauern. Eine Behandlungsmöglichkeit gibt es nicht. Ein Rizin-Angriff auf eine Großveranstaltung? In den Augen der Terroristen "ist das ein höllisches Spektakel".

Erschreckend real!

Diese beiden Plotstränge sind es, die Johnsrud gekonnt miteinander verwebt. Benjamin und Tong scheinen den Terroristen immer einen Schritt hinterher zu sein. Es gibt erste Opfer. Aber die Polizei will das Thema von der Öffentlichkeit fern- und aus dem Wahlkampf heraushalten. Der ist eh schon schmutzig und angsteinflößend genug. Nielsen bekommt ein Foto zugespielt, das die amtierende Ministerpräsidentin und damit die Gegnerin Gregers zeigt, als sie gerade aus einer speziellen Klinik herauskommt. Nielsen hält es zurück. Vorerst.

"Echokammer", erschienen bei Droemer Knaur und Argon, gewinnt von Seite zu Seite, von Minute zu Minute mehr an Fahrt. Der Hörer ist mittendrin, will wissen, wie es weitergeht, schaltet nicht ab, knabbert an den Fingernägeln, rauft sich die Haare. Johnsrud spielt mit dem Hörer, lässt hier mal einen Hinweis fallen, deutet da mal etwas an. Das Große und Ganze bleibt selbst nach einigen nicht vorhersagbaren Twists bis zum Ende des knapp zwölfstündigen Vergnügens im Dunkeln. Das sitzt und hinterlässt Spuren.

Johnsruds Buch, das erste einer als Trilogie geplanten Serie, ist ein Erlebnis, eine Offenbarung! Daran zeichnet auch Tim Gössler mitverantwortlich. Seine Stimme will nicht wieder heraus aus dem Kopf des Hörers: Sonor, wohlklingend, anklagend, schreiend, flüsternd - alles ist dabei. Wie in der Politik: "Politik. Erschreckend und absolut anziehend zugleich!“