Topökonom warnt vor Zweckentfremdung der Milliarden-Schulden

In den Augen von Marcel Fratzscher ist die Gefahr groß, dass das geplante Finanzpaket am Bundestag vorbei für andere Dinge verwendet wird. Der Ökonom verlangt bei ntv einen unabhängigen Fiskalrat als Kontrollinstanz - genauso wie eine längere Lebensarbeitszeit.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fordert eine strengere Kontrolle, wie die Milliarden aus dem geplanten Schuldenpaket verwendet werden. "Wir brauchen eigentlich einen unabhängigen Fiskalrat, der kontrolliert, ob die Bundesregierung wirklich das macht, was sie versprochen hat - oder nutzt sie die Gelder doch für Sozialausgaben?", sagte Fratzscher im ntv Frühstart.

Ein Sondervermögen sei zwar wichtig, aber nicht optimal: "Es ist nicht die beste Lösung, und es schafft weniger Transparenz." Die Gefahr sei groß, dass die Gelder am Bundestag vorbei für andere Dinge verwendet würden.

Wichtig sei, dass das Geld tatsächlich in Investitionen fließe, betonte Fratzscher. "Wenn die Koalition wirklich das Geld für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und in Verteidigung nimmt, dann ist es gerade im Sinne der künftigen Generation, weil die davon profitiert, von mehr Wirtschaftswachstum."

Schwarz-Rot müsse den Widerspruch auflösen, dass die beiden Parteien einerseits ein Sondervermögen für Investitionen wollen, aber gleichzeitig teure Versprechen machen, verlangt der Ökonom. Sollte das Geld anderweitig verwendet werden, drohten wirtschaftliche Nachteile. "Wenn der Staat mehr Geld ausgibt, um Renten zu erhöhen, um zusätzliche Staatsbedienstete einzustellen, um Gehälter zu erhöhen, dann heißt es nicht mehr Wachstum, sondern eher weniger Wachstum - nicht mehr Wohlstand, sondern weniger Wohlstand", so Fratzscher.

Über die Bundestagsdebatte zum Milliardenpaket halten wir Sie in unserem Liveticker auf dem Laufenden.

"Wir müssen weit über 67 hinaus arbeiten"

Um die Renten in Deutschland zu stabilisieren, hält der DIW-Chef eine längere Lebensarbeitszeit für notwendig. "Die Ampel-Regierung hat ja schon einige Vorschläge gemacht zu sagen, wir müssen weit über 67 hinaus arbeiten, damit die Kosten für die gesetzliche Rente nicht explodieren und die junge Generation nicht immer stärker belastet wird." Manche Menschen könnten das nicht, "aber viele können es und wollen es". Angesichts der hohen Schulden müsse der Staat langfristig handeln.

Entscheidend sei, "Hürden abzubauen, den Menschen zu sagen: Ihr könnt so lange arbeiten, wie ihr das möchtet und nicht nur, wie der Arbeitgeber das möchte." Dafür brauche es "kluge Anreize, die einerseits sich finanziell lohnen für die Betroffenen, andererseits die Rentenkasse entlasten".

Auch bei der Pflege sieht Fratzscher Reformbedarf. "Eine Bürgerversicherung von privat und öffentlich, das sind Wege, um letztlich ein leistungsfähiges System bei den Sozialsystemen zu ermöglichen, Kosten einzusparen und vor allem die junge Generation nicht stärker zu belasten."