EU schwächt Lieferkettengesetz ab - und initiiert Clean Deal

Das Lieferkettengesetz hat für viel Unmut gesorgt. Nun kommt die EU-Kommission der Wirtschaft entgegen, verschiebt das Gesetz um ein Jahr und mistet es aus. Zugleich nimmt sie viel Geld in die Hand, um Europas darbende Wirtschaft zu pushen.

Die EU-Kommission will die klimafreundliche Industrie mit einem 100-Milliarden-Paket sowie dem Abbau von Bürokratie fördern. Dafür soll auch die Anwendung des EU-Lieferkettengesetzes um ein Jahr verschoben werden, die Auflagen für Unternehmen sollen deutlich abgeschwächt werden. Eine Verschiebung des Stichtags für die Regeln auf Juni 2028 werde "Unternehmen mehr Zeit geben, sich auf die neuen Auflagen vorzubereiten", teilte die Kommission mit. Brüssel reagiert damit auf massiven Druck aus der Wirtschaft, die über bürokratische Auflagen klagt.

Eigentlich will die EU mit dem Gesetz Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten ab Mitte des kommenden Jahres für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihren Lieferketten in die Pflicht nehmen. Die Kommission schlägt nun vor, den ersten Stichtag für die Umsetzung um ein Jahr auf den 26. Juni 2028 zu verschieben. Ein Jahr später soll das Gesetz anschließend voll greifen.

Die betroffenen Firmen sollen zudem nicht mehr in ihrer gesamten Lieferkette die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards sicherstellen müssen, sondern nur noch bei ihren direkten Zulieferern. Ein Nachweis dafür würde den Vorschlägen zufolge nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle fünf Jahre fällig. Die Kommission will zudem eine EU-weite zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Vorgaben einschränken.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte eine "beispiellose Anstrengung" für den Abbau von Regeln versprochen. Neben dem Lieferkettengesetz will die Kommission auch Vorgaben für die Nachhaltigkeits-Berichtserstattung um zwei Jahre verschieben und neu verhandeln. Nach Kommissionsangaben sollen 80 Prozent der bislang betroffenen Unternehmen ausgenommen werden.

Zudem will Brüssel zahlreiche Firmen von einer Abgabe auf CO2-Emissionen von Importen ausnehmen, weil sie nach Einschätzung der Kommission nur geringe CO2-Emissionen haben. Das soll den Plänen zufolge für alle Unternehmen gelten, die weniger als 50 Tonnen Stahl, Aluminium, Zement oder Düngemittel in die EU importieren.

EU soll klimafreundlich aus der Krise kommen

Um Europas Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen, will die EU-Kommission künftig Staatshilfen für eine klimafreundliche Industrie schneller genehmigen. Der Fokus des sogenannten Clean Industrial Deals (CID, "Saubere-Industrie-Deal") liegt auf energieintensiven Industriezweigen und sauberen, grünen Technologien ("clean-tech") wie etwa Windrädern. In dem Paket kündigt die Kommission für die nächsten Monate und Jahre mehrere Gesetze beziehungsweise Gesetzesänderungen an.

So sollen EU-Vorgaben für öffentliche Aufträge überarbeitet werden. Davon könnten europäische Firmen profitieren. Die Kommission setzt zudem beispielsweise darauf, dass künftig 40 Prozent der klimafreundlichen Technologien in der EU hergestellt werden. Mit den Vorschlägen hofft die Kommission darauf, kurzfristig mehr als 100 Milliarden Euro zu mobilisieren.

Legte die EU-Kommission in der letzten Wahlperiode mit dem "Green Deal" noch ein beispielloses Maßnahmenpaket vor allem für einen drastischen Rückgang der Treibhausgasemissionen auf den Tisch, steht nun die Industrie klar im Fokus. An den Klimazielen der EU wird jedoch festgehalten.

Strom soll günstiger werden

Eine Stellschraube, die die Kommission drehen will, gerade mit Blick auf energieintensive Industrien, sind die vergleichsweise hohen Energiepreise in Europa. Wie aus einem von der Behörde vorgelegten Aktionsplan hervorgeht, setzt sie etwa auf mehr langfristige Verträge - um Preisschwankungen entgegenzuwirken - sowie schnellere Genehmigungen für grünen Strom, mehr Verbindungsleitungen und mehr grenzüberschreitenden Handel, um die Preise zu senken.

Der Plan zielt auf Einsparungen für Industrie und Haushalte in Höhe von 45 Milliarden Euro im laufenden Jahr ab, die dann bis 2030 schrittweise auf 130 Milliarden Euro jährlich erhöht werden sollen, um bis 2040 Einsparungen in Höhe von 260 Milliarden Euro pro Jahr zu erreichen.

Eine besondere Einheit für den Gasmarkt soll für einen fairen Wettbewerb sorgen. Für niedrigere Stromkosten fordert die Kommission die Mitgliedstaaten unter anderem auch auf, die Stromsteuern zu senken und Verbrauchern den Wechsel zu Versorgern mit günstigeren Angeboten zu erleichtern.

Unternehmen in der EU sehen sich zunehmend Konkurrenz vor allem aus den USA und China ausgesetzt. Das zeigt sich unter anderem an der Lage der Autoindustrie - chinesische Firmen haben europäische technologisch teils deutlich überholt. Aber auch andere Branchen stehen unter Druck, drohende US-Zölle trüben die Aussichten weiter. Die Produktivität in den USA ist im Schnitt in den vergangenen Jahren im Vergleich zur EU deutlich gestiegen.