Aiwanger könnte auf stur stellen und Merz zappeln lassen

Union und SPD wollen für ihre gigantischen Milliardenpläne das Grundgesetz ändern. Dafür müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen. In der Ländervertretung wartet ein Stolperstein: Hubert Aiwanger.

Bei der Bundestagswahl sind die Freien Wähler noch krachend gescheitert - gerade einmal 1,5 Prozent der Wähler gaben der Truppe des Spitzenkandidaten Hubert Aiwanger ihre Stimme. Doch jetzt hat der Populist aus Bayern plötzlich wieder Oberwasser. Für die gewaltigen Pläne, auf die sich Union und SPD geeinigt haben, wird auch seine Zustimmung gebraucht - im Bundesrat.

Die Ländervertretung muss wie der Bundestag den geplanten Grundgesetzänderungen zur Schuldenbremse und des geplanten Sondervermögens für die Infrastruktur zustimmen - und zwar mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Und die wackelt ganz gewaltig. Klar ist im Moment wenig, eines aber sicher: Das Votum am 21. März wird knapp.

Das hat mit der Arbeitsweise des Bundesrates zu tun. Dort stimmen die Regierungen der 16 Bundesländer ab. Wie sie das tun, darüber müssen sich die jeweiligen Landesregierungen erst einmal untereinander einigen. Das gelingt ihnen nicht immer. Wer sich aber nicht einigen kann, enthält sich in der Regel. Genau das dürfte reihenweise bei der Abstimmung im Bundesrat passieren.

Die Pläne von Schwarz-Rot spalten nicht nur den Bundestag, sondern gehen auch wie ein Messer durch etliche Landesregierungen. In sieben Ländern regieren Parteien mit, die das geplante Infrastrukturpaket und die weitgehende Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigung ablehnen oder zumindest skeptisch sehen.

Sechs Enthaltungen im Bundesrat so gut wie sicher

Darin sind die Grünen noch nicht einmal enthalten. Auch deren Zustimmung ist erforderlich und noch nicht sicher, wie Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge deutlich gemacht hat. Doch müssen die Grünen sich spätestens bis zum 17. März entscheiden, vier Tage vor der Bundesratssitzung. Dann stimmt der Bundestag ab. Gehen die Grünen nicht mit, fällt die Bundesratssitzung ohnehin flach. Stimmen sie aber im Bundestag mit "Ja", werden sie es auch im Bundesrat tun.

Zurück zu den Landesregierungen. In Thüringen und Brandenburg regiert das BSW mit, in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz die FDP, in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern die Linke. BSW und Linke sind gegen Aufrüstung, die FDP gegen jedwede Lockerung der Schuldenbremse. Heißt im Ergebnis: Diese sechs Bundesländer werden sich wohl enthalten.

Zusammen vereinen sie 22 Stimmen auf sich. Insgesamt hat der Bundesrat 69 Stimmen. Da es um eine Grundgesetzänderung geht, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Das wären 46 Stimmen. Ohne die genannten sechs Bundesländer wären es aber immer noch 47. Alles gut also? Nein, denn nun kommt Hubert Aiwanger ins Spiel.

Aiwanger: Finanzpaket viel zu unkonkret

Der Bayer regiert in seinem Heimatland mit der CSU und hat sich nun ebenfalls skeptisch geäußert. Dem "Handelsblatt" sagte er: "Noch ist das Finanzpaket viel zu unkonkret, um zu entscheiden, ob ich zustimmen werde." Er stellte schonmal Bedingungen: "Es braucht strukturelle Reformen: Schuldenbremse einhalten, Einsparungen bei Bürgergeld und Migration, Wirtschaft flottmachen durch Verbesserung der Rahmenbedingungen, Reformstau angehen - anstatt die Strukturfehler nur durch Schulden zuzukleistern."

Damit tut sich für Aiwangers Koalitionspartner, Ministerpräsident Markus Söder, ein Nebenkriegsschauplatz auf. Der CSU-Chef dürfte eigentlich damit ausgelastet sein, mit der SPD zu sondieren. Doch nun muss er Aiwanger das Paket schmackhaft machen. Falls er das gerade versucht, verbirgt er seine Bemühungen erfolgreich. Beim politischen Aschermittwoch in Passau teilte Söder noch gegen die Freien Wähler aus. "Ich habe keine Lust mehr, bundespolitisches Gequake von Leuten zu hören, die null Ahnung von der Sache haben", tönte er.

Getöse an Aschermittwoch, klar. Aber auch bei nüchternerem Blick hat Aiwanger ein Druckmittel in der Hand. Überreizen darf er freilich auch nicht. Nicht einmal die Wählerschaft in Bayern würde es nachvollziehen können, wenn er wegen eigener Themen das große Ganze platzen ließe.

Söder hat noch ein Ass im Ärmel

Söder könnte sich auch über die Praxis der Enthaltung hinwegsetzen und notfalls im Bundesrat zustimmen. Für Brandenburg hat das im vergangenen Jahr Ministerpräsident Dietmar Woidke getan - damit aber seine rot-grün-schwarze Koalition gesprengt. Die Landtagswahl war da aber schon in Sichtweite.

Ob Söder ebenfalls eine Regierungskrise riskiert? Damit drohen kann er, da er den Koalitionspartner wechseln könnte. Der Fraktionschef der Bayern-SPD, Holger Grießhammer, hat sich bereits angeboten. "Wir wären bereit", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Die SPD wolle in Bayern mitregieren. CSU und SPD hätten zwar nur eine Stimme Mehrheit, aber wie heißt es so schön: Mehrheit ist Mehrheit. Allerdings ist der Konflikt mit Aiwanger lösbar. Dessen Forderungen entsprechen im Wesentlichen den Verhandlungszielen der Union.

Wenige Tage nach der Verkündung des großen Pakets stellt sich also heraus: Ganz so klar und sicher wie es am Dienstag klang, sind Sondervermögen und Schuldenbremsen-Reform nicht. Da wackelt und knirscht es noch bedenklich. Innerhalb von zwei Wochen müssen Union und SPD, müssen Merz, Söder, Klingbeil und Esken nun alle anderen an Bord holen. Für Merz ist das auch eine Chance. Er kann allen Zweiflern zeigen, dass er so etwas kann.