Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ruft Kanzler Scholz für Deutschland eine Zeitenwende aus. Im Bevölkerungsschutz sei diese noch lange nicht angekommen, moniert der Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes - und fordert einen Teil des Sondervermögens Infrastruktur.
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sieht die Bundesrepublik für einen möglichen Kriegsfall nicht ausreichend gerüstet und fordert einen Teil des Sondervermögens Infrastruktur ein, das die Sondierer von Union und SPD ausgehandelt haben. Der DRK-Generalsekretär Christian Reuter warnte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ), die von Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende habe im "Bevölkerungsschutz nicht stattgefunden".
Konkret fehlten Unterbringungsmöglichkeiten für bis zu 1,7 Millionen Menschen, die im Notfall genutzt werden könnten. Zudem mangele es an genügend Menschen, die im Katastrophenschutz geschult sind, an Notfallkapazitäten in Kliniken und an einer sicheren Versorgung mit Antibiotika. "Drei Jahre später sind wir noch immer blank, der Zivilschutz ist auf den Verteidigungsfall nicht vorbereitet", sagte Reuter der FAZ.
Der DRK-Generalsekretär legte auch gleich einen Plan vor, wie sich das ändern ließe. Er fordert, dass rund 20 Milliarden Euro des noch nicht verabschiedeten Sondervermögens Infrastruktur in den Bevölkerungsschutz fließen. Die Spitzen von Union und SPD hatten nach den ersten Sondierungsgesprächen am Dienstag verkündet, für die kommenden zehn Jahre einen Fonds von insgesamt 500 Milliarden Euro aufzulegen, der der Infrastruktur zugutekommen soll. Für das Sondervermögen, das von der Schuldenbremse ausgenommen ist, braucht es eine Änderung des Grundgesetzes, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag sowie Bundesrat benötigt. Noch ist nicht genau geklärt, wie diese in beiden Kammern zustande kommt.
In dem Papier der schwarz-roten Sondierer heißt es laut FAZ im zweiten Punkt, dass das Sondervermögen "insbesondere (den) Zivil- und Bevölkerungsschutz umfassen" müsse. DRK-Generalsekretär Reuter bezeichnete die geforderten 20 Milliarden Euro angesichts des Investitionsstaus und der Bedrohungslage als "längst überfällig". Seine und andere Hilfsorganisationen bräuchten "dringend mehr Unterstützung, um den Schutz der Bevölkerung sicherzustellen".
Die bisherige Finanzierung der Hilfsorganisationen kritisiert Reuter auch. Das Bundesinnenministerium stellt für den Bevölkerungsschutz regulär zwischen 500 und 600 Millionen Euro bereit, Reuter bezeichnete die Summen als "armselig". Gebraucht würden rund 2,5 Milliarden Euro, sagte er. Nicht nur regte er an, dass sich Privathaushalte auf einen Krisenfall vorbereiten, sondern auch, dass die Bevölkerung geschult werde. Die Rede ist von "Erste-Hilfe-Kursen mit Selbstschutzinhalten", um die Resilienz zu steigern. Wünschenswert sei, dass rund 16 Millionen Personen daran teilnähmen.