Am Ende der Markus-Lanz-Talkshow am Mittwochabend wird der Linken-Politiker Ramelow plötzlich stinksauer. Dabei hat Moderator Lanz nur eine einfache Frage gestellt. FDP-Urgestein Kubicki lässt die Zuschauer an seinen Überlegungen zu seiner politischen Zukunft teilhaben.
Sie haben eines gemeinsam: Eigentlich sind sie schon im Rentenalter. Aber sonst trennt Wolfgang Kubicki und Bodo Ramelow so ziemlich alles. Kubicki ist Mitglied der FDP, die gerade in einer tiefen Krise steckt: Sie ist nicht mehr im Bundestag vertreten und benötigt einen neuen Vorsitzenden. Das möchte Wolfgang Kubicki gerne werden - vielleicht. Ramelow kann auf den Wahlsieg seiner Partei stolz sein: Die Linke hat ihr Ergebnis fast verdoppelt, ist klar in den Bundestag gewählt worden, und Bodo Ramelow hat seinen Wahlkreis in Thüringen gegen die AfD gewonnen. An diesem Mittwochabend sollen sie bei Markus Lanz im ZDF die Wahlen bewerten und einen Blick in die Zukunft wagen. Zwei Journalistinnen sollen sie dabei unterstützen.
Er habe einen ziemlichen Kater am Montagmorgen gehabt, gibt Kubicki zu. Er hatte aber auch Grund zum Trinken: Nach 35 Jahren ist er aus dem Parlament ausgeschieden. "Das geht mir nahe, weil ich mir meinen Ausstieg aus dem Parlamentsbetrieb anders vorgestellt habe als so, und weil ich mir auch nicht gewünscht hätte und nicht vorstellen konnte, dass die FDP so schmählich aus dem Parlament hinausgewählt wird. 4,3 Prozent ist das schlechteste Ergebnis, das wir seit Bestehen unserer Partei haben."
Nun müsse erst einmal analysiert werden, was falsch gelaufen sei. "Wir haben eine ganze Reihe von Fehlern gemacht in der Vergangenheit, aber es ist jetzt müßig, das heute Abend alles aufklären zu wollen", sagt Kubicki. "So viel Zeit haben wir auch gar nicht", antwortet Markus Lanz völlig ernst.
Kubicki lobt die "wunderbaren Social-Media-Aktivitäten von der Linken", kann sich aber nicht verkneifen, sie in einem Satz mit der AfD zu nennen. Die Debatte über den Tabubruch von Friedrich Merz, der sich im Bundestag bei zwei Abstimmungen Stimmen von der AfD geholt habe, habe die Linke zu einem "antifaschistischen Schutzwall" werden lassen, so Kubicki unter klarer Missachtung des Verursacherprinzips. Bei dem Ende seiner Arbeit im Bundestag gehe es ihm weniger um sich selbst. "Ich gehe morgen das erste Mal wieder zurück in meine Kanzlei", sagt Kubicki. Besorgt ist er jedoch um die 150 Mitarbeiter seiner Fraktion, die sich nun neue Jobs suchen müssten.
Was seine Zukunft in der FDP angeht, sagt Kubicki: "Da muss ich drüber nachdenken. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Aber ich bin sicher, dass wir eine vernünftige Lösung für die Partei finden, sich neu aufzustellen und auch wieder Motivation zu schaffen, die Leute bei der Stange zu halten und auch wieder neue Leute zu gewinnen." Ob er wirklich für den Posten des Parteichefs kandidieren will, weiß er noch nicht. Seine Beliebtheit, seine Bekanntheit, seine Erfahrung und seine Redegewandtheit sprechen dafür. Aber er hat eine starke Konkurrentin: Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Beide sind Profis, beide sagen, sie überlegten noch. So bleibt man zumindest bis zur eigentlichen Wahl auf einem Parteitag noch in den Medien präsent.
Nun ist natürlich Kubicki eher ein Teil der Probleme der FDP, die zum Ausscheiden aus dem Bundestag geführt haben. Ein politischer Neuanfang ist mit dem bald 73-Jährigen nicht zu erwarten. "Das ist vielleicht auch ein Teil des Problems, dass die Partei es über Jahre versäumt hat, hoffnungsvolle Figuren aufzubauen", so Journalistin Anne Lehmann von der "taz". "Aber darauf kommt es gar nicht an", antwortet Kubicki. "Entscheidend ist, dass wir einen Übergang moderieren können, der die Partei am Leben hält, der die Mitglieder motiviert, und das traue ich mir zu, weil ich das schon mehrfach gemacht habe. Und das traue ich auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu."
Der Erfolg der Linken
"Das Markenzeichen Silberlocke war der Versuch in einer Situation, in der meine Partei verfestigt tot war", analysiert Bodo Ramelow. Die Linke sei vor einem halben Jahr bei einer Zustimmung von drei Prozent gewesen. Da hatte Ramelow das Amt des Ministerpräsidenten von Thüringen an seinen Nachfolger abgegeben. Zuvor hatte Ramelows Partei in Thüringen nur noch ungefähr 13 Prozent der Wählerstimmen bekommen, ein Verlust von etwa 18 Prozentpunkten.
Er habe einen demokratischen Übergang in Thüringen organisieren wollen und wollte versuchen, mit jungen Leuten zusammen die Partei am Laufen zu halten. "Wir haben einen jungen Wahlkampf gemacht", sagt Ramelow, "Und ich habe viel gelernt, weil das eine Welt ist, mit der ich nichts zu tun hatte: Tiktok wäre freiwillig nicht meine Welt gewesen." Die Linke habe mit der "Aktion Silberlocke" den schmalen Grat zwischen lustig und lächerlich betreten. Und offensichtlich hat sie vieles richtig gemacht.
Eines der Ziele der Linken benennt Ramelow klar: "Ich kämpfe nicht gegen andere Parteien, ich kämpfe gegen den Faschismus. Und die Art und Weise, wie sich jetzt auch die AfD als Fraktion gebildet hat, macht deutlich, dass der gesamte rechtsradikale Spektrumsbereich aufgesogen und verinnerlicht wird, und die AfD versucht, alle anderen demokratischen Parteien vor sich herzutreiben."
Für Kubicki kommt es jetzt darauf an, dass Union und SPD eine gemeinsame Regierungskoalition bilden. "Wenn jetzt Union und SPD nicht zusammenkommen, dann dokumentiert die politische Mitte damit, dass sie nicht handlungsfähig ist. Und das würde das größte Problem überhaupt sein. Dann hat die AfD das nächste Mal 28 Prozent."
Ein weiteres Thema, das bald diskutiert werden dürfte, ist eine mögliche Reform der Schuldenbremse. Um sie zu beschließen, fehlt einer neuen möglichen schwarz-roten Koalition die Zwei-Drittel-Mehrheit. "Es ist mir eine große Ehre, mir klar zu sein, dass die Zwei-Drittel-Mehrheit nur zustande kommt, wenn man mit uns ernsthaft in Gespräche kommt", sagt Ramelow. Er fordert Gespräche darüber, kein Geld mehr für konsumtive Dinge auszugeben, und er verlangt die "Aufhebung des Kooperationsverbotes". So sei es falsch, dass Deutschland sechzehn verschiedene Bildungssysteme habe. Wichtig ist ihm auf jeden Fall: "Die dazu notwendige Verfassungsänderung sollte man unter Demokraten miteinander bereden. Und das setzt Gespräche voraus. Und diese Gespräche scheitern im Moment am Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU."
Ob er einem Sondervermögen für die Bundeswehr zustimmen würde, fragt Lanz? Und plötzlich wird Ramelow wütend. So wütend, dass er mehrfach einen "Downer" in Form eines Lakritz-Bonbons nach der Sendung anmahnt. Ramelow wird laut, gestikuliert heftig, schreit irgendwann. Er wisse nicht, wofür das Sondervermögen über 200 Milliarden Euro verwendet werden solle. Auch darüber müsse es Gespräche geben, sagt er. Aber dazu müsse die Union ihren Unvereinbarkeitsbeschluss fallen lassen. Und dazu sei sie schließlich nicht bereit. Selbst in Thüringen habe sie mit Sahra Wagenknecht gesprochen, trotz deren Vergangenheit in der Kommunistischen Plattform, aber nicht mit seiner Partei.
Mit Zeter und Mordio endet die Sendung - und mit der Erkenntnis, dass die Linken ein sehr schwieriger Verhandlungspartner werden.