Microsoft soll versucht haben, Beschwerdeführer einer EU-Kartellrechtsbeschwerde mit Geld zu besänftigen. Das geht aus einem Interview mit Nextcloud-CEO Frank Karlitschek hervor, das im Schweizer Netzpolitik-Magazin Dnip erschienen ist. Hintergrund ist laut Karlitschek eine 2021 eingereichte Kartellbeschwerde gegen Microsoft bei der EU-Kommission. Daraufhin hatte Microsoft versucht, ihn und weitere, die sich an der Beschwerde beteiligen, mit Geld davon zu überzeugen, die Beschwerde zurückzuziehen.
"Es gibt Unternehmen, die finanzielle Angebote im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an Wettbewerbsverfahren erhalten haben. Das unterstreicht, warum eine effektive regulatorische Aufsicht so wichtig ist – um faire Marktbedingungen zu gewährleisten und den Wettbewerb auf Basis von Innovation statt Marktdominanz zu ermöglichen", sagt Karlitschek auf Anfrage von heise online. Microsoft teilte auf Nachfrage mit, dass man sich zu den Anschuldigungen nicht äußern wolle. Die Free Software Foundation Europe habe ebenfalls ein Angebot erhalten, hat auf eine Anfrage dazu bisher allerdings nicht reagiert.
"Niemand hat Geld angenommen"
Darüber hinaus sei den Unternehmen auch Geld angeboten worden, "dass sie Nextcloud nicht mehr unterstützen", so Karlitschek gegenüber Dnip. Allerdings sei darauf keiner eingegangen. Angefangen habe alles vor mehr als drei Jahren, "als wir das problematische Bundling von Services und Software angehen wollten. Wir konzentrierten uns anfangs auf den OneDrive-Fall, um das Problem greifbarer zu machen", erklärte Karlitschek.
Windows, Office-Pakete und mehr
Ende September 2024 hatte das Bundeskartellamt nach einer Beschwerde von Nextcloud und weiteren bereits Microsofts "marktübergreifende Bedeutung" festgestellt und dass der US-Konzern seine Macht für den Verkauf von Paketlösungen ausnutze. "Historischer Ausgangspunkt des Unternehmens ist das Betriebssystem Windows, mit dem Microsoft seit vielen Jahren eine beherrschende Stellung einnimmt. Dazu kommen die Office-Anwendungen und weitere vielfältig miteinander verbundene Software-Angebote", fasste damals Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamtes, die Lage zusammen.
Zahlung an CISPE
Im Sommer 2024 hatte Microsoft 20 Millionen Euro für die Beilegung von Streitigkeiten mit dem Cloud-Branchenverband CISPE (Cloud Infrastructure Services Providers in Europe) gezahlt. Dabei ging es um die Lizenzierung der Cloud-Produkte von Microsoft, die den europäischen Cloud-Computing-Markt schädigen würden. Nachdem Microsoft dann Änderungen an den Lizenzbedingungen zugesagt und die CISPE-Mitglieder entschädigt hatte, wurde die Beschwerde beigelegt. CISPE-Mitglieder äußerten jedoch, dass die Vereinbarung nur kurzfristig Vorteile bringen würde, während die Cloud-Branche und ihre Kunden langfristig den Preis zahlen würden.
Microsoft unter Beobachtung
Microsoft steht aus diesen und ähnlichen Gründen unter Beobachtung, beispielsweise auch von der US-Handelsaufsicht FTC. Grund dafür sind Kooperationen zwischen Big-Tech-Unternehmen wie Microsoft und führenden KI-Unternehmen. Erst kürzlich hatte Microsoft Investitionen in Milliardenhöhe in OpenAI getätigt. Die FTC sieht darin ein erhöhtes Risiko, dass OpenAI in naher Zukunft vollständig übernommen werden könnte. Wie es mit der Big-Tech-Regulierung weitergeht, ist unklar.
Erst kürzlich hat US-Präsident Trump ein Memorandum veröffentlicht, in dem mit Gegenmaßnahmen gedroht wird, sollten Dienstleistungen von US-Digitalunternehmen im Ausland besteuert oder anderweitig reguliert werden. "Wir befinden uns an einem kritischen Zeitpunkt für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft. Wir stehen vor der Wahl: Wollen wir uns erpressen lassen oder uns endlich digital souverän aufstellen? Die neue Regierung ist hier gefragt, europäische Eigenständigkeit dringend zu fördern", fordert Karlitschek.
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