Merz hat's geschafft, aber es bleibt ein Beigeschmack

Es ist vollbracht. Union, SPD und Grüne einigen sich auf ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz und die weitgehende Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse. Ein fader Beigeschmack bleibt, insbesondere für Unionswähler.

"Entscheidend ist, was hinten rauskommt." Dieser Satz des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl ist legendär. Auch heute passt er wieder wunderbar, zumindest aus Sicht des wohl künftigen Bundeskanzlers Friedrich Merz. Er hat eine Einigung mit Grünen und SPD auf ein neues Sondervermögen und eine Lockerung der Schuldenbremse herbeigeführt. Im Fußball heißt es nach Spielen, die mit Ach und Krach gewonnen wurden: Es zählen nur die drei Punkte und in ein paar Wochen interessiert niemanden mehr, wie der Sieg zustande kam.

Drei Punkte zählen auch hier und zwar ganz gewaltig: Das Sondervermögen umfasst 500 Milliarden Euro, die nun nicht mehr über zehn, sondern über zwölf Jahre ausgegeben werden sollen. Es soll nun nicht mehr nur in die Infrastruktur, sondern auch in den Klimaschutz fließen. Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bundeshaushaltes werden von der Schuldenbremse ausgenommen. Und der dritte Punkt: Die Bundesländer dürfen sich künftig verschulden, so wie der Bund das auch darf.

Für Merz sind diese drei Punkte überlebenswichtig. Sie verschaffen ihm für seine Kanzlerschaft den finanziellen Spielraum für eine kraftvolle Politik. Der Plan: Deutschland macht sich jetzt an die Arbeit, bringt die Bundeswehr auf Vordermann, ebenso Straßen, Brücken, Krankenhäuser, Stromnetze. Im Idealfall finden mehr Menschen einen Job, die Löhne steigen und die Wirtschaft wächst. Ob es wirklich so kommt, ist freilich die Frage. Wenn ja, dürfte die Fußball-Weisheit stimmen: Dass im Erfolgsfall niemand mehr nach den beiden Wochen im März fragen wird.

Finanzen, Migration: überall Zugeständnisse

Nur was, wenn nicht? Dann könnte die Hauruck-Aktion direkt nach der Wahl als gewaltige Schuldenorgie in die Geschichte eingehen, die sich ein mutmaßlich überforderter CDU-Chef von anderen Parteien aufschwatzen ließ. Die nur dazu diente, frisches Geld für Geschenke an die eigenen Wähler zu verteilen. Stichwort Mütterrente, Stichwort Agrardiesel, Stichwort Pendlerpauschale. Läuft es schlecht, bricht Streit aus - das deutet sich jetzt schon an, etwa in der Migrationspolitik. Denn was soll das heißen, dass Asylsuchende "in Abstimmung mit den Nachbarländern" zurückgewiesen werden? Müssen die Nachbarländer zustimmen? "Nein!", sagt CDU-Fraktionsvize Jens Spahn. "Ja", sagt SPD-Chefin Saskia Esken.

Beeindruckend war die Verhandlungsleistung von Merz jedenfalls nicht. Erst warf er für die SPD die eigenen Wahlversprechen über Bord und stimmte sofort einer Lockerung der Schuldenbremse zu. Obwohl er in Aussicht gestellt hatte, das allenfalls irgendwann einmal später zu tun - nachdem kräftig im Kernhaushalt gespart wurde. Dann fiel ihm auf, dass er die Grünen ebenfalls für eine Zweidrittelmehrheit brauchte. Und beschenkt sie nun mit 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds. Der ist das Kernstück der Wirtschaftspolitik von Grünen-Minister Robert Habeck, an dessen Arbeit Merz kein gutes Haar gelassen hat. Vor der Wahl.

CDU-Programmatik mit der Lupe

So bleibt ein fader Beigeschmack, insbesondere für seine Partei und deren Wählerschaft. Merz hat sich noch nicht als gewiefter Stratege erwiesen, der eine Koalition mit ruhiger Hand führen kann. Stattdessen gab es gleich zu Beginn ein kleines Drama mitsamt Nachtsitzungen und erbitterten Vorwürfen. CDU-Programmatik muss man nun mit der Lupe suchen. Auf den ganz großen Brocken, Schuldenbremsen-Lockerung, Sondervermögen, prangt dick das SPD-Logo. Zugleich muss Merz mit dem Vorwurf des Wortbruchs leben. Dabei wusste er doch schon im Wahlkampf, dass er mit SPD oder Grünen regieren müsste. Das Wahlergebnis war ein mögliches Szenario, auf das er aber seine Wähler nicht vorbereitete. Ist ihm wirklich erst mit dem Selenskyj-Rauswurf aus dem Weißen Haus klar geworden, was die Stunde geschlagen hat? So behauptet Merz das ja, aber selbst wenn es stimmt, spricht das nicht für ihn.

Dann ist da der noch fadere Beigeschmack des Timings. Mit dem alten Bundestag noch mal eben drei Grundgesetzänderungen von immenser Tragweite zu beschließen, ist - gelinde gesagt - gewagt. Legal mag das alles sein, aber ist es auch legitim? Welches Mandat haben die Abgeordneten noch nach der Wahl? Es gibt gute Argumente für entschlossenes Geld-Ausgeben. Aber auf diese Weise hilft das der AfD. Wenn sie dieses Verfahren undemokratisch nennt, werden ihr viele beipflichten. Dabei hätte Merz eine Schuldenbremsen-Reform spätestens nach dem Ampel-Aus machen können. Die Wahl hätte er wohl trotzdem gewonnen, bei dem massiven Vertrauensverlust der Ampel-Parteien.

Es ist gut, dass es jetzt noch eine Einigung gibt. Das gibt der künftigen Regierung Rückenwind für die großen Aufgaben im In- und Ausland. Doch eine Merz‘sche Meisterleistung war das noch nicht.