Für den Kampf gegen China könnte Trump die Ukraine opfern

Trumps Hauptfeind ist China. Dem ordnet er vieles unter, auch die Interessen Europas. Der US-Präsident geht auf Russland zu, um einen Keil zwischen Moskau und Peking zu treiben - auf Kosten der Ukraine. Wirklich überraschend ist das nicht. Und es verspricht wenig Erfolg.

2011 verkündete US-Präsident Barack Obama eine außenpolitische Neuorientierung seines Landes: den Schwenk nach Asien. Der Demokrat kündigte eine Verstärkung der militärischen Präsenz der USA im asiatisch-pazifischen Raum an. Einhergehen sollte das mit einem verstärkten Handel mit den Staaten vor Ort. Europa war damit nicht mehr die erste Wahl - und sollte selbst für die eigene Sicherheit sorgen. Obama brachte sein Land in Stellung gegen eine aufsteigende Weltmacht: China.

Wegen der russischen Annexion der Krim und schließlich des groß angelegten Überfalls auf die Ukraine wurde die konsequente Umsetzung dieses strategischen Schwenks verzögert - und Europa bekam eine Schonfrist, die es nicht nutzte. Insgesamt aber folgten Obamas Nachfolger dessen Linie: Donald Trump setzte auf handelspolitische Maßnahmen gegen Peking, Joe Biden verstärkte die Beziehungen zu regionalen Verbündeten wie Japan, Südkorea und Australien.

In seiner zweiten Amtszeit scheint Donald Trump den Kurs noch konsequenter zu verfolgen. Dazu setzt er nicht nur auf höhere Zölle, sondern auch auf ein schnelles Ende des andauernden Krieges in der Ukraine. Wenn nötig, auf Kosten der Ukraine. Die Annäherung an Russland mit zuletzt hochrangigen Treffen soll nicht nur den Friedensschluss beschleunigen. Sie hat noch ein weiteres Ziel: Trump will Russland aus der chinesischen Umklammerung lösen - und damit Peking schwächen. "Präsident Trumps abrupte und enthusiastische Umarmung Russlands und seines autoritären Führers Wladimir Putin wird zum Teil von dem strategischen Wunsch angetrieben, einen Keil zwischen Moskau und Peking zu treiben", schreibt etwa das "Wall Street Journal" in einer Analyse.

Der "umgekehrte Nixon"

Unter Verweis auf Experten spricht die Zeitung von einem "umgekehrten Nixon". US-Präsident Richard Nixon fuhr zusammen mit Außenminister Henry Kissinger in den frühen 1970er Jahren einen Annäherungskurs an China, um die damals schon bröckelnden Beziehungen der Volksrepublik zur Sowjetunion weiter zu lösen und dem Kreml zu schaden. Mittlerweile haben sich die Machtverhältnisse verschoben, im russisch-chinesischen Verhältnis ist heute Moskau der Juniorpartner, den die USA auf ihre Seite ziehen wollen.

Doch das wirft Fragen auf: Kann Trumps Plan gelingen? Lässt China sich das gefallen? Und riskiert der US-Präsident dafür einen Bruch mit den europäischen Verbündeten über den Umgang mit der Ukraine?

Für Russland wäre die von Trump forcierte Rückkehr auf die Weltbühne ein Erfolg. Schwer lasten die westlichen Sanktionen auf der Wirtschaft und dem Finanzwesen. "Russland ist im Moment in der China-Falle gefangen", berichtete ntv-Korrespondent Rainer Munz aus Moskau. Es gebe keinen anderen Verbündeten, "man muss sich nach China richten, aus ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen Gründen". Die Aufhebung der Sanktionen würde Russland entgegenkommen, "wenn man Öl, Gas wieder überall verkaufen kann, wenn man wieder auf dem Finanzmarkt tätig sein kann", so Munz.

Andererseits ist China in den vergangenen Jahren ein äußerst wichtiger Verbündeter für Russland geworden. Nicht nur, weil der Handel beider Länder in den vergangenen Jahren geradezu explodierte und 2024 neue Rekordhöhen erreichte. Vor allem sind China und Russland strategische Partner, die sich gegen die internationale Vormachtstellung der USA wehren. Beide Seiten beschwören eine "grenzenlose" und "felsenfeste" Freundschaft. Etliche Male haben sich die Machthaber Putin und Xi Jinping getroffen.

Peking reagiert entspannt

Zwar sind diese engen Bande nicht in Stein gemeißelt, schließlich konkurrieren beide Seiten auch um Einfluss, etwa in Zentralasien. Doch auf lange Sicht ist Peking der zuverlässigere Partner für Moskau. Trump könnte schon bei den Kongresswahlen 2026 empfindlich an Macht einbüßen, in vier Jahren scheidet er aus dem Amt. Russland könnte also doppelt profitieren: Beziehungen zu den USA aufbauen und die Sanktionen beenden, gleichzeitig aber seine enge Kooperation mit China weiterführen.

Und Peking? "Chinas Führung scheint die Annäherung zwischen Washington und Moskau zu begrüßen", heißt es in einer Analyse des Mercator Institute for China Studies (Merics). Unter Berufung auf ein virtuelles Gespräch zwischen Xi und Putin heißt es, dass Russland China über die Einzelheiten seiner Gespräche mit Washington informiere. "Solange Russland Interesse an noch engeren Beziehungen zu China bekundet, wird Beijing (Peking) die Annäherung an Washington positiv sehen", schreibt Merics-Analystin Helena Legarda. Zudem "kommt Chinas Regierung ihrem Ziel näher, Beziehungen zu Europa zu stärken und das transatlantische Bündnis zu schwächen".

Die Gefahr einer Schwächung der Beziehungen zwischen USA und Europa sieht auch das "Wall Street Journal": "Mit seinem Schwenk zur Unterstützung Russlands und dem Rückzug aus der Ukraine verprellt Washington bereits seine Verbündeten in Europa", heißt es. Dabei seien diese zusammengenommen der größte Handelspartner und wichtigste ausländische Investor der USA. Zudem könnte Trump demnach Partner in Asien verschrecken. Dort fühlen sich Länder wie Taiwan, die Philippinen, Japan und Südkorea von Chinas Gebietsansprüchen herausgefordert.

Die "Umkehrung des 'umgekehrten Nixon'"

Evan Feigenbaum von der US-Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace sprach gegenüber dem "Wall Street Journal" sogar von einer "Umkehrung des 'umgekehrten Nixon'". Denn während Nixon damals ideologische Differenzen zwischen Moskau und Peking ausgenutzt habe, versuche Trump nun "ein Bündnis zwischen zwei Mächten zu spalten, die ideologisch miteinander verbunden sind und gemeinsame strategische Interessen haben". Was der US-Präsident stattdessen getan habe, sei, den Westen zu spalten, während sich Russland gleichzeitig mit den USA und mit China verbündet.

Dass Trump trotz der Gefahren an seinem Kurs festhält, könnte einen anderen Grund haben: Er ist fasziniert von Macht und Stärke. Nach dem Eklat im Oval Office versuchte Kiew die Beziehungen wieder zu kitten, indem Präsident Wolodymyr Selenskyj Trumps "strong leadership" betonte, also seine "starke Führung". Das schmeichelt nicht nur Trump, sondern kommt auch seiner Weltsicht entgegen.

So sagte auch US-Außenminister Marco Rubio, dass es an der Zeit sei, den Krieg in der Ukraine hinter sich zu lassen, um eine Dreiecksbeziehung zwischen den Vereinigten Staaten, Russland und China aufzubauen. "Das sind große, mächtige Länder mit Atomwaffen", so Rubio. "Sie können ihre Macht weltweit ausüben. Ich glaube, wir haben das Konzept der Reife und Vernunft in den diplomatischen Beziehungen verloren." Diese Politik von Großmächten und deren Einflusssphären ist nicht neu. Sie ist vielmehr ein Rückgriff auf alte Konzepte und degradiert große Teile der Welt zu Hinterhöfen. Das gilt für Panama und Grönland, aber auch für Europa.