Kevin Kühnert spricht erstmals über Rücktrittsgründe

Kevin Kühnerts Rücktritt war für die Öffentlichkeit und auch für viele in der eigenen Partei eine große Überraschung. Einen konkreten Grund nannte er damals nicht. Nun offenbart der frühere SPD-Generalsekretär, was ihn zu dem Schritt bewegte.

In seiner ersten öffentlichen Äußerung nach seinem Ausscheiden aus der Politik begründete der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert diesen Schritt unter anderem mit körperlichen Angriffen und Bedrohungen gegen sich, etwa von Neonazis und Corona-Leugnern. "Meine rote Linie ist da, wo Gewalt in der Luft liegt. Ich bin nur 1,70 Meter groß", sagte Kühnert der "Zeit".

Selbst im Urlaub habe er sich nicht mehr sicher gefühlt und seine Ferien deshalb immer öfter in einsamen Gegenden im Gebirge verbracht. Selbst auf der Schwäbischen Alb sei er in fast jedem Gasthof erkannt und "gefühlt in jedem zweiten von irgendjemandem angepöbelt" worden. "Irgendwann ist mir klar geworden: Wenn ich in Ruhe gelassen werden will, muss ich dahin, wo gar keine Menschen sind", sagte Kühnert.

Er habe den Glauben daran verloren, gegen den Hass ankämpfen zu können, der vor allem auf Social Media verbreitet werde. "Vielleicht ist das der Punkt, wo es pathologisch geworden ist. Am Ende war da ein Gefühl von absoluter Vergeblichkeit", sagt Kühnert.

Es habe keinen Schlüsselmoment und auch keine medizinische Diagnose gegeben, die ihn zum Aufgeben zwang. Es sei stattdessen ein "diffuses Gefühl" gewesen, nicht mehr sicher zu sein. Auch die Gleichgültigkeit der Gesellschaft dazu bereite ihm Sorge. "Ich bin nicht aus der Politik ausgestiegen, weil ich Angst vor ein paar Neonazis habe. Sondern weil ich zunehmend Zweifel habe, was das Thema Wehrhaftigkeit betrifft", sagte Kühnert. Als drei Männer in einer Straßenbahn darüber sprachen, ihn verprügeln zu wollen, habe der voll besetzte Waggon geschwiegen.

Kühnert offenbarte außerdem, dass er seit einigen Jahren mit einem FDP-Mann liiert ist. Dank seiner Beziehung habe er noch einmal neu begriffen, wie wichtig der Respekt vor politisch Andersdenkenden sei: "Es braucht das ständige Bewusstsein, dass der politische Gegner auch recht haben könnte."

Eine Rückkehr in die Politik schließt Kühnert nicht aus. "Ich bin nicht ausgestiegen, weil ich das alles lächerlich oder überflüssig fände", sagt er. In Zukunft wolle er "auf keinen Fall den Gabriel machen", sagte er in Bezug auf Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, der das Politik-Geschehen auch nach seinem Rücktritt noch häufig von der Seitenlinie aus kommentiert. Alles andere werde sich fügen.