Apple-Chef Tim Cook griff bei der Einführung der Apple Watch tief in die Steve-Jobs-Trickkiste. Wie Jobs' bei der legendären Präsentation des ersten iPhones stellte Cook vor 10 Jahren drei simple Grundpfeiler in den Mittelpunkt, um den Sinn des neuen Gerätes zu veranschaulichen – Zeitanzeige, Kommunikation sowie Gesundheit und Fitness.
Es war keine Routine-Keynote, sondern die erste komplett neue Apple-Produktkategorie, die Cook nach dem Tod von Steve Jobs lancierte. Gleich auf zwei Veranstaltungen präsentierte Apple die Watch, zuerst im Herbst 2014, dann erneut vor dem Verkaufsstart im April 2015. Die damalige Unsicherheit wurde mit Hybris überspielt: Die Krone der Apple Watch sei ein ebenso revolutionäres Eingabegerät wie die Maus und Multitouch, behauptete Cook kurzerhand. Anschließend wurde präsentiert, wie sich Apple-Watch-Nutzer gegenseitig ihren Herzschlag schicken und ans Handgelenk klopfen – solche "digitalen Berührungen" vergrub Apple später wohlweislich tief in watchOS. Das i-Tüpfelchen war dann die Apple Watch in Echtgold, die bis zu rund 18.000 Euro kostete.
Zäher Start, konsequente Weiterentwicklung
Am 24. April 2015 kam die Apple Watch in den Handel und stieß sofort auf die harsche Realität: Die erste Generation war von praktisch allem überfordert, was über die Anzeige der Uhrzeit und von Mitteilungen hinausging. Die Bedienoberfläche war komplex, viele Funktionen versteckt. Apps starteten, wenn überhaupt, unglaublich langsam. Ohne ein mitgeschlepptes iPhone konnte die Uhr nur noch wenig, Grundfunktionalität wie GPS, Mobilfunkverbindung und Apps von Drittanbietern musste das Apple-Smartphone beisteuern.
Doch Apple besserte flott und beharrlich nach – bei Software wie Hardware. Mit Series 1 und Series 2 kamen 2016 mehr Leistung, ein GPS-Modul plus Schwimmtauglichkeit. Die noch so stolz präsentierte 18-Karat-Variante warf Apple zugleich still aus dem Portfolio. Mobilfunk folgte mit der Series 3. Entscheidende Sprünge brachten dann die Series 4 und Series 5: Mit einem soliden 1-Kanal-EKG und der Warnung vor Herzrhythmusstörungen wurde die Uhr zu einem ernst zu nehmenden Gesundheitsbegleiter. Darauf folgte das Always-On-Display, sodass die Watch die Uhrzeit seitdem dauerhaft anzeigt – und nicht nur kurz beim Anheben des Arms.
Immer kleinere Schritte
Nach den turbulenten ersten fünf Jahren schien die Luft allerdings erst einmal raus: Die Watch-Neuerungen sind seitdem überschaubar, darunter mehr oder minder wichtige Sensoren zur Temperatur- und Blutsauerstoffmessung. Mit der Apple Watch SE erweiterte Apple das Line-up um ein abgespecktes, etwas günstigeres Einstiegsmodell, das seit fast drei Jahren nicht mehr aktualisiert wurde. Frischen Wind brachte zwischenzeitlich die Apple Watch Ultra mit ihrem deutlich größeren Display und einer längeren Akkulaufzeit. Seit dem darauffolgenden S9-Chip lässt sich die Watch per Doppeltippgeste einhändig ansteuern. Einen Uhren-Meilenstein erreichte die aktuelle Series 10: Sie ist erstmals in der Lage, den tickenden Sekundenzeiger dauerhaft einzublenden – ganz wie eine analoge Armbanduhr. Enttäuschend, dass Apple diese Anzeige lediglich bei drei Zifferblättern unterstützt.
Über die Jahre ist sich die Apple Watch erstaunlich treu geblieben. Zeitanzeige, Kommunikation sowie Gesundheit und Fitness stehen unverändert im Mittelpunkt. Eine runde Smartwatch sucht man bei Apple vergeblich, am Basis-Design hat sich kaum etwas geändert. Dafür wurde das Display immer größer und das Gehäuse flacher. Erfreulich: Die Armbänder der Series 0 passen auch an die Series 10. Weniger erfreulich ist, dass die Akkulaufzeit immer noch mager ist. Die Nicht-Ultra-Variante schafft im Normalbetrieb kaum zwei volle Tage, ohne nachzutanken. Ein Manko, gerade wenn sie zum Schlaf-Tracking über Nacht getragen wird, was Apple für immer mehr Gesundheitsfunktionen voraussetzt – darunter eine Warnfunktion für Schlafapnoe.
Dass die Watch ein Lebensretter sein kann, hängt Apple gerne an die große Marketingglocke – und das nicht zu Unrecht: Tatsächlich kann die Uhr zu mehr Bewegung motivieren und hat fraglos Nutzer frühzeitig auf schwere gesundheitliche Probleme aufmerksam gemacht.
Kein Wachstum mehr bei Apple-Wearables
Anfängliche Diskussionen darüber, ob die Watch ein Flop ist, verstummten schnell. Auch wenn Apple nie konkrete Verkaufszahlen nannte, gilt die Smartwatch schon lange auch als eine geschäftliche Erfolgsgeschichte. Diese kam jüngst jedoch ins Stottern: In den vergangenen zwei Geschäftsjahren waren Apples Umsätze mit Wearables erstmals rückläufig. Ernsthafte Konkurrenz brauchte Apple bei der Watch bislang kaum zu fürchten, denn iOS enthält etliche Sonderlocken, die anderen Herstellern vorenthalten sind. In der EU muss der Hersteller das gezwungenermaßen ändern: Andere Smartwatches könnten so im Zusammenspiel mit dem iPhone ab iOS 19 ähnlich bequeme Funktionen bieten – und so auch die Apple Watch wieder zu größeren Sprüngen anspornen.