Ein in Fledermäusen nachgewiesenes neues Coronavirus ähnelt von seiner Zelloberfläche SARS-CoV-2. Eine Studie aus China sieht die Gefahr, dass der Erreger auf den Menschen überspringen könnte. Experten wiegeln aber ab: Die Gefahr einer neuen Pandemie sei gering.
Eine bei Fledermäusen neu entdeckte Art des Coronavirus nutzt laut Wissenschaftlern dasselbe Zelloberflächenprotein, um in menschliche Zellen einzudringen, wie das SARS-CoV-2-Virus, das COVID-19 verursacht. Das berichten chinesische Forscher des Instituts für Virologie Wuhan in einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift "Cell" veröffentlicht wurde. Demnach sei dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das Virus HKU5-CoV-2 eines Tages auf den Menschen überspringen könnte, entweder durch einen direkten Kontakt oder durch Zwischenwirte.
HKU5-CoV-2 dringt laut der Laborstudie aber nicht so leicht in menschliche Zellen ein, wie SARS-CoV-2. Zudem gleiche der Erreger dem Middle East Respiratory Syndrome Virus (MERS), das schwere Atemwegserkrankungen versachen kann. Das potenzielle Risiko einer Übertragung von HKU5-CoV-2 auf den Menschen müsse noch untersucht werden, so die Wissenschaftler. Mehrere ungünstige Faktoren für die Anpassung an den Menschen würden aber bereits den Schluss zulassen, dass das "Risiko des Auftretens in menschlichen Populationen nicht übertrieben werden sollte".
Auch Michael Osterholm, Experte für Infektionskrankheiten an der Universität von Minnesota, bezeichnete Befürchtungen, dass HKU5-CoV-2 eine neue Pandemie auslösen könnte, als "übertrieben". Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte er, die Bevölkerung weise im Vergleich zu 2019 eine hohe Immunität gegen ähnliche SARS-Viren auf.
"Dieses neue Virus ist eines, was man in Fledermäusen gefunden hat und menschliche Zellen infizieren kann", sagte Allgemeinmediziner Christoph Specht im Gespräch mit RTL. Zumindest sei das Labor der Fall. Allerdings sei HKU5-CoV-2 "bei Weitem nicht so gut" an den Menschen angepasst wie SARS-CoV-2.
Specht sieht in Vogelgrippe größere Gefahr
Das in der Studie beschriebene höhere Potenzial von HKU5-CoV-2 für eine Infektion zwischen verschiedenen Spezies, gibt es laut Specht auch bei anderen Coronaviren. "Das weiß man. Dass die Viren, die in Fledermäusen sind, immer ein Potenzial tragen, auch auf Menschen zu springen - entweder direkt oder über einen Zwischenwirt", so der Mediziner.
Eine viel größere Gefahr sieht Specht in der Vogelgrippe, die derzeit in den USA grassiert. Wenn ein Mensch sowohl das Vogelgrippe- als auch das Influenzavirus in sich trägt, könnten die beiden ihr Genmaterial austauschen. "Die weiteren Viren, die dann produziert werden, hätten die Gefährlichkeit des Vogelgrippevirus mit einer hohen Letalität und gleichzeitig die hohe Übertragungsfähigkeit von Mensch zu Mensch. Das wäre dann die Katastrophe." Dieses Szenario sei viel wahrscheinlicher als ein Fitter-werden von HKU5-CoV-2.
"Dass irgendwann wieder ein Virus kommt und eine Pandemie macht, ist ziemlich sicher", sagte Specht. "Und die Wahrscheinlichkeit, dass es ein Corona- oder Influenzavirus ist, ist sehr groß." Die Frage sei eben nur: wann.